Keratokonus-Erkrankung des 12-jährigen Kenneth aus Uganda

Bei einem Keratokonus wird die Hornhaut des Auges immer dünner und wölbt sich kegelartig nach vorne. Bemerkbar macht sich die Augenerkrankung, weil Betroffene verzerrt, verschwommen und unscharf sehen. Der Keratokonus beginnt oft schon in jungen Jahren und entwickelt sich dann langsam weiter. Warum die Hornhaut ausdünnt, ist noch unklar. Forscher vermuten, dass genetische Faktoren mit am Werk sind. Ein Keratokonus lässt sich mit Kontaktlinsen, einer Brille oder einer Augenoperation behandeln.

Quelle: https://www.usz.ch/krankheit/keratokonus/

 

Hornhaut im Auge: Links normal, rechts durch Keratokonus verformt. Quelle: https://luxaugenzentrum.ch/keratokonus/

In der inzwischen neunjährigen Geschichte der Augenhilfe Afrika kam das Thema Keratokonus bisher nicht vor. Außerdem spielt sich der in diesem Beitrag vorgestellte Fall auch nicht in unserem üblichen Aktionsgebiet Kamerun, sondern weit entfernt in Ostafrika ab. Der geschilderte Fall ist dadurch für uns im doppelten Sinne ungewöhnlich.

Ende Mai 2022 werden wir von Frau Marlies Jansen aus Berlin auf den Fall des 12-jährigen Kenneth Mugisa aus Kampala in Uganda angesprochen. Frau Jansen war vor ihrer Pensionierung als Sozialarbeiterin tätig und hat sich längere Zeit in Uganda in Ostafrika aufgehalten. Hier lernt sie 2008 die Familie von Kenneth kennen, zu einem Zeitpunkt, als Kenneth noch gar nicht geboren ist. Dessen Mutter Gloria Owonda schlägt sich schon damals mit allerlei Handarbeit als sogenannte „craft woman“ durch, mit Herstellung und Verkauf von Papierperlen, traditionellen Flechtarbeiten bis hin zu Kerzen- und Seifenherstellung sowie Näharbeiten.

Frau Jansen engagiert sich vor Ort für die Menschen in den Slums von Kampala, organisiert nach ihrer Rückkehr von Deutschland aus finanzielle Hilfe, zum Beispiel zum Kauf von Nähmaschinen und Materialien für Gloria Owonda und deren Gruppenarbeit mit den Frauen ihres unmittelbaren Umfelds. Und sie wird später die Patentante von Kenneth.

12-jähriger Keratokonus-Patient Kenneth Mugisa

Gloria Owonda lebt heute mit Ehemann und sechs Kindern im Ortsteil Bukoto in Kampala. Das letzte Kind, kaum überlebensfähig, hat sie angenommen, als ihre Schwägerin bei der Geburt starb. Der Haushalt befindet dich stets am Existenzminimum. Der Ehemann hat nur selten Gelegenheitsarbeiten, ist aber sehr engagiert als Hausmann – sehr ungewöhnlich für Schwarzafrika. Gloria ist ständig damit beschäftigt, dass genügend Geld hereinkommt. Immerhin hat die Familie das große Glück, dass ihre Kinder in eine duale Boarding School gehen können, die nur moderate Schulgebühren verlangt.

Kenneth (Pfeil) im Kreis seiner Familie

Kenneth ist ein aufgeweckter Junge und bis zu seinem Augenproblem der Klassenbeste. Sein Berufswunsch ist schon sehr früh völlig klar. Er möchte Arzt werden. Frau Jansen berichtet, dass er ihr schon mit 6 Jahren aus der Bibel vorgelesen hat. Die Coronakrise sorgt dann dafür, dass die Schulen in Kampala zwei Jahre lang im Lockdown sind. Das Augenproblem von Kenneth wird dadurch erst verzögert wahrgenommen. Auch seine Eltern bemerken es nicht. Schließlich schickt ein Lehrer den Jungen zum Augenarzt. Später berichtet Kenneth an Frau Jansen, dass seine Augen in dieser Zeit zunehmend ständig gejuckt und gekratzt hätten.

In Dr. Agrawals Eye Hospital in Kampala wird Anfang 2022 der Keratokonus festgestellt und eine Hornhauttransplantation für erforderlich gehalten. Hornhäute sind aber in Uganda schon seit längerer Zeit nicht verfügbar.

Frau Jansen wendet sich nun mit dem bereits angesprochenen Hilferuf an die Augenhilfe. Unser daraufhin eingeschalteter Augenarzt Dr. Raoul Cheuteu in Kamerun sieht per Ferndiagnose zwei mögliche Stoßrichtungen als erfolgversprechend an: Eine Operation im benachbarten Kenia, das über deutlich bessere Möglichkeiten verfügt als Uganda, oder aber in Indien, einem Land mit außergewöhnlich guter Infrastruktur, was Augenkrankheiten angeht. Ein Transport des Jungen nach Kamerun oder Europa scheidet nach seiner Ansicht aus Aufwands- und Kostengründen eher aus.

Die Mitgliederversammlung der Augenhilfe entscheidet im Juni, sich des Falles Kenneth anzunehmen. Fast zeitgleich findet Ende Juni in Nürnberg der 34. Internationale Kongress der Deutschen Ophtalmochirurgen statt. Die Augenärztin Dr. Iris Winter, eine Bekannte von Frau Jansen, die selbst einige Jahre in Ostafrika gearbeitet hat, trifft dort auf Dr. Georg Schüle, einen Keratokonus-Spezialisten, der im Tenwek Hospital in Bomet, Kenia, praktiziert. Frau Dr. Winter nutzt die Gunst der Stunde, indem sie Kenneths Keratokonus-Erkrankung ins Gespräch bringt. Und Dr. Schüle erklärt sich bereit, sich des Jungen anzunehmen.

Tenwek Hospital in Bomet, Kenia

Im September ist es schließlich soweit. Vom 9. bis 15. September 2022 ist Kenneth mit seiner Mutter Gloria von Kampala, Uganda, aus mit Bus und Buschtaxi unterwegs, zuerst zum Tenwek Hospital in Bomet, Kenia, dann weiter zu der von Dr. Schüle empfohlenen Augenoptikerin Zahra Rashid in Gertrude´s Children´s Hospital in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, und anschließend wieder zurück nach Kampala. Es ist eine lange und strapaziöse Reise für die Beiden.

Dr. Schüle mit Kenneth und Mutter Gloria
Dr. Schüle untersucht Kenneth …
… und anschließend auch Mutter Gloria.

Sowohl Dr. Schüle als auch Augenoptikerin Zahra Rashid, Spezialistin auf dem Gebiet von Keratokonus im Kindesalter, bedauern, dass sie Kenneth erst so spät zu Gesicht bekommen. Wäre er früher bei weniger weit fortgeschrittenem Krankheitsbild gekommen, hätte man noch versuchen können, ein Fortschreiten der Krankheit durch Cross-Linking zu verhindern. Seine Hornhaut ist dafür aber inzwischen zu dünn. Corneales Cross-Linking (CXL) dient der Versteifung der Hornhaut durch Quervernetzung der Kollagenfasern.

Gertrude´s Children´s Hospital in Nairobi, Kenia
Augenoptikerin Zahra Rashid untersucht Kenneth.

Dr. Schüle und Frau Rashid halten eine Operation von Kenneth zum aktuellen Zeitpunkt nicht für angebracht. Sie wollen damit zumindest warten, bis Kenneth 18 Jahre alt ist. Erst dann sind sie eventuell bereit, eine Hornhauttransplantation in Betracht zu ziehen. Die Erfolgsaussichten sind bei über 18-Jährigen nämlich deutlich besser. Vielleicht wird eine Hornhauttransplantation dann bei Kenneth aber auch gar nicht mehr erforderlich sein. Dies bleibt abzuwarten.

In Nairobi bekommt Kenneth von Frau Rashid zunächst Kontaktlinsen mit einer dazu kompatiblen Brille angepasst, die er vor allem in der Schule tragen soll, sowie eine Brille für abends und am Wochenende. Seine Sehkraft beträgt damit immerhin wieder etwa 40%. Eindringlich wird ihm klargemacht, dass er sich nicht die Augen reiben darf, da dies zum Fortschreiten der Erkrankung oder sogar zu einer Hornhautperforation führen kann.

Da Keratokonus wie schon erwähnt auch vererbt werden kann, untersucht Dr. Schüle auch die Augen von Kenneths Mutter. Einen Keratokonus stellt er bei ihr nicht fest, wohl aber eine deutliche Sehschwäche. Mutter Gloria bekommt daher wie ihr Sohn ebenfalls eine neue Brille, und beiden ist damit erst einmal ein ganzes Stück weitergeholfen.

Kenneth und Mutter Gloria mit ihren neuen Brillen
Kenneth in seiner Schul-Uniform
Kenneth (3.v.l.) im Kreis seiner Schulkameraden

Bis Kenneth 18 Jahre alt ist, vergehen noch einige Jahre, in denen er immer wieder untersucht und behandelt werden muss. Das kostet viel Geld, das die Familie bekanntlich nicht hat. Hier möchte die Augenhilfe Afrika weiterhin unterstützen. Und mit Hilfe unserer treuen Spender wird uns das auch sicher gelingen.

Der nächste Untersuchungstermin und damit die nächste Reise von Kenneth und Mutter Gloria ins Nachbarland Kenia steht bereits im kommenden März 2023 an.