Tibati zum dritten Mal Austragungsort einer OP-Kampagne

Nach 2015 und 2017 wählen wir Tibati zum dritten Mal als Kampagnenort aus. Der Bedarf in der Region ist nach unserer Erfahrung sehr hoch, und die Randbedingungen sind vergleichsweise günstig. So steht für unsere Arbeit das gut ausgestattete lokale Krankenhaus zur Verfügung, und erfreulicherweise unterstützen während der Kampagnendauer insgesamt vier Mitarbeiter des Hôpital Regional Annex de Tibati unser Team: Ein MTA, eine OP-Schwester zur Unterstützung im Operationssaal sowie zwei Krankenschwestern für die Patientenregistrierung und -betreuung.

Unser eigenes, aus dem Süden Kameruns angereistes Augenhilfe-Team besteht aus 8 Personen. Aber im Gegensatz zu früheren Kampagneneinsätzen in der Region reisen dieses Mal nicht alle Teammitglieder mit dem Zug an. Denn wir mussten erfahren, dass man mit unseren sensiblen Geräten im Gepäckwagen nicht ausreichend sorgfältig umgeht. Bei der letzten Zugreise sind infolgedessen ein OP-Mikroskop sowie ein Refraktometer erheblich beschädigt worden.

Um solche unangenehmen und auch teuren Überraschungen zu vermeiden, werden dieses Mal sicherheitshalber große Teile des Gepäcks in einen Geländewagen verladen. Mit diesem machen sich dann Dr. Raoul Cheuteu, Anthony, Pascal und Ezechiel auf den weiten Weg nach Tibati. Die verbleibenden vier, nämlich Prof. Dr. Giles Kagmeni, Fred, Elyseé und Salvador, reisen dagegen mit leichtem Gepäck per Zug von Yaoundé aus an. Im Bahnhof von Ngaoundal steigen sie nach einer langen Nachtfahrt aus und legen den Rest der Strecke nach Tibati mit dem Auto zurück.

Beladen des Fahrzeugs in Yaoundé
Dr. Raoul Cheuteu vor dem fertig beladenen Geländewagen
Der Kampagnenort Tibati befindet sich in der zentralen Region Adamoua.
Eine lange und anstrengende Fahrt liegt vor dem Auto-Team.

Elyseé ist zum ersten Mal bei einer unserer OP-Kampagnen dabei. Er hat gerade seine Ausbildung zum Augenoptiker erfolgreich abgeschlossen und wird in unserer neugebauten Augenklinik in Mora arbeiten, sobald diese fertiggestellt und Anfang 2025 in Betrieb gegangen ist. Vorher bereitet er sich in den Augenkliniken von Yaoundé und Ambam und wie im vorliegenden Fall bei OP-Kampagnen auf seine neue Aufgabe vor.

Vor Ort angekommen

Die Kampagne in Tibati findet vom 2. bis 7. Juli 2024 statt. Und wie immer ist der Andrang von Patienten und begleitenden Angehörigen gewaltig. Vom Krankenhauswärter erfahren wir, dass an allen Kampagnentagen die ersten Hilfesuchenden jeweils bereits gegen 5.00 Uhr in der Frühe eintreffen. Keiner will die einmalige Chance auf Wiedererlangung des Augenlichts oder zumindest auf besseres Sehen verpassen. Erstaunlich viele Hilfesuchende kommen von vergleichsweise weit her, vor allem aus der Region um Ngaoundal, wo wir zuletzt 2019 eine OP-Kampagne durchgeführt haben.

Die Hilfesuchenden …
… versammeln sich vor …
… und in den Gebäuden des Krankenhauses.
Auch kleine Patienten sind gekommen.

Bald nach dem Eintreffen des Teams werden die Untersuchungen der Sehfähigkeit bzw. der Sehschärfe in Angriff genommen, die Augenoptiker beginnen mit dem Schleifen der maßgeschneiderten Brillen, und die Augenärzte erstellen mit tatkräftiger Unterstützung der beiden MTAs Anthony und Fred ihre Diagnosen. Wie immer betrifft der Großteil der anstehenden Operationen den Grauen Star bzw. Katarakt.

Elyseé bei der Ermittlung der Sehschärfe …
… und anschließend …
… beim Schleifen der Brillengläser
Dr. Raoul Cheuteu bei einer Augenuntersuchung mit der Spaltlampe
Diese Patienten warten bereits auf ihre Operation.

Eine beidseitig von Grauem Star betroffene Patientin ist die 25jährige Maïmounatou Ousma, Mutter von vier Kindern. Sie ist völlig blind, praktisch hilflos und wird nur von ihrer älteren Schwester Fadimatou unterstützt, die sie auch zur Behandlung bei unserer OP-Kampagne in Tibati begleitet. Der Vater der vier Kinder hat die Familie vor einiger Zeit verlassen.

Maïmounatou Ousma wird von Prof. Kagmeni an beiden Augen operiert und muss sich dann – wie alle anderen Operierten auch – bis zur Abnahme der Augenverbände am nächsten Morgen gedulden. Erst dann wird sie wissen, ob sie wieder sehen und ihr Leben endlich wieder in die eigenen Hände nehmen kann.

Maïmounatou Ousma hat beidseitigen Grauen Star.
Prof. Dr. Giles Kagmeni operiert.
Unsere beiden Augenärzte mit der frisch operierten Maïmounatou Ousma
Die frisch operierte Maïmounatou Ousma mit ihrer Schwester Fadimatou
Einseitig operierter Patient
Weiterer einseitig operierter Patient
Das Augenhilfe-Team genießt seinen Feierabend.

Nach Abnahme der Verbände am nächsten Morgen werden alle Operierten von unseren beiden Augenärzten auf den richtigen Sitz der künstlichen Linsen untersucht. Wie erwartet ist alles in Ordnung, auch bei Maïmounatou Ousma. Sie kann wieder sehen. Dr. Cheuteu macht mit ihr und anschließend auch mit ihrer Schwester Fadimatou ein kleines Interview, bei dem ein einheimischer Übersetzer das von den Frauen verwendete Fulfulde ins Französische übersetzt. Das Sprachenproblem ist wie praktisch immer bei unseren Kampagnen ein zentraler Punkt. Denn keineswegs alle Patienten verstehen oder sprechen eine der beiden Amtssprachen Französisch und Englisch, was die Kommunikation häufig sehr problematisch macht.

Prof. Dr. Giles Kagmeni untersucht nach Abnahme der Verbände den Sitz der künstlichen Linsen.
Dr. Raoul Cheuteu mit Maïmounatou Ousma, die wieder sehen kann

Maïmounatou Ousma im Interview

Ihre Schwester Fadimatou im Interview

Auch diese einseitig operierte Frau hat die Sehfähigkeit auf ihrem linken Auge wiedererlangt.

Am zweiten Operationstag stehen außer einer Vielzahl von Katarakten auch einige Pterygien sowie ein Karzinom der Bindehaut zur Operation an. Diese Krebsart gehört zu den am häufigsten auftretenden im Augenbereich. Bei dem davon betroffenen Patienten wird das an der Oberfläche liegende, gut erkennbare Krebsgeschwür komplett entfernt und dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Leben gerettet. Denn nach Einschätzung unserer beiden Ärzte hätte der Patient ohne die Operation so gut wie keine Chance gehabt, die nächsten drei oder vier Jahre zu überleben.

Pterygium
Karzinom der Bindehaut vor …
… und unmittelbar nach der Entfernung
Einseitig operierte Patientin
Beidseitig operierte Patientin
Dieser Patient berichtet der Welt per Handy von seiner Operation.

Der etwa 65jährige Ibrahima ist bereits seit vielen Jahren blind und zudem völlig mittellos. Seit Jahren lebt er von Almosen, die er vor der Moschee seines Wohnortes auf dem Boden sitzend von Passanten in die Hand gedrückt bekommt. Nicht einmal eine ausreichende Ernährung kann er auf diese Weise sicherstellen. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes bettelarm. Die 10.000 FCFA für die Nachsorge-Medikamente, umgerechnet etwa 15 Euro, die normalerweise von OP-Kandidaten als Gegenleistung für ihre Behandlung verlangt werden, kann er nicht einmal ansatzweise aufbringen. Natürlich werden ihm diese Kosten erlassen, und genau wie die etwas zahlungskräftigeren Patienten wird auch er operiert.

Der 65jährige Ibrahima ist völlig blind.

Hier erkennt man deutlich seine getrübten Augenlinsen.
Ibrahima nach seiner beidseitigen Operation

Ein letztes Mal muss Ibrahima geführt werden. Am nächsten Tag soll sich das ändern.

Nach Abnahme der Verbände am nächsten Morgen kann Ibrahima wieder sehen, sagt auf Befragen, er sei zufrieden, wirkt aber keinesfalls euphorisch. Die Situation hat sich für ihn auf dramatische Weise verändert, und er muss das Erlebte erst einmal realisieren. Auf jeden Fall beginnt für ihn nun ein völlig neues Leben.

Ibrahima kann wieder sehen. Glücklich sieht er zwar noch nicht aus, …

… doch immerhin äußert er im Interview seine Zufriedenheit.

Dr. Raoul Cheuteu mit einem Teil der Patienten vor der Verbandsabnahme
Dr. Raoul Cheuteu untersucht einen Patienten nach der Verbandsabnahme auf den richtigen Sitz der künstlichen Linse.

Am letzten Tag der Kampagne, einem Sonntag, werden den betroffenen Patienten im Rahmen einer kleinen Feier die maßgeschneiderten Brillen ausgehändigt und abschließend ein paar Erinnerungsfotos gemacht.

Patientin am Abschlusstag mit frisch erworbener Brille
Weitere Patientin mit neuer Brille
Dr. Raoul Cheuteu in Festtagsgewand mit Patientin …
… und als Animateur
Dr. Raoul Cheuteu (in Bildmitte) mit Patienten und Honoratioren

Insgesamt hat unser Team in Tibati 769 Augen untersucht und 55 Operationen durchgeführt. 50 davon betrafen den Grauen Star, vier das Krankheitsbild Pterygium und eine die geschilderte Entfernung eines Augentumors. Hinzu kommen noch 46 maßgeschneiderte Brillen, die unsere Augenoptiker beigesteuert haben.

Sehr zufrieden mit den erreichten Ergebnissen machen sich unsere 8 Teammitglieder nach Abschluss der OP-Kampagne auf die weite und anstrengende Heimreise nach Yaoundé bzw. Ambam.