OP-Kampagne und Bekämpfung der Flussblindheit in Nachtigal

Vom 18. bis 21. Oktober 2023 findet unsere zweite Untersuchungs- und Operationskampagne des laufenden Jahres statt. Wie schon bei der letzten Kampagne in Sa´a liegt auch in Nachtigal der Schwerpunkt auf der Bekämpfung der Flussblindheit. Und wie schon in Sa´a wird auch die OP-Kampagne in Nachtigal finanziert von dem deutschen Verein WMF Barmherzigkeit und dessen österreichischer Schwesterorganisation Barmherzigkeit International.

Diese beiden NGOs setzen einen ihrer Schwerpunkte auf die Bekämpfung der Onchozerkose oder Flussblindheit, die im Bereich des Flusses Sanaga, an dem sowohl Sa´a als auch Nachtigal liegen, sehr verbreitet ist. Flussblindheit geht auf eine Infektion mit einem Fadenwurm zurück, der durch den Stich von weiblichen Kriebelmücken verursacht wird. Diese Erkrankung verursacht Juckreiz sowie Ausschläge, die üble Vernarbungen im Auge zur Folge haben können, und kann zur völligen Blindheit führen. Im tropischen Afrika ist die Flussblindheit weit verbreitet, vor allem, wie der Name schon andeutet, in der Nähe von Flüssen, in denen die Kriebelmücken brüten.

Nachtigal liegt nördlich von Yaoundé am Fluss Sanaga.

Der Name Nachtigal geht erkennbar auf die deutsche Kolonialvergangenheit zurück. Da der Ort mit dem schönen deutschen Namen aber über kein Krankenhaus verfügt, weicht unser Team auf das 30 km weiter südlich gelegene Obala aus, wo die geplante Untersuchungs- und Operationskampagne nach einer längeren Vorgeschichte schließlich im Distriktkrankenhaus stattfinden kann.

Das Genehmigungsverfahren zur Durchführung der OP-Kampagne zieht sich über Monate hin. Der angepeilte Termin muss daher ärgerlicherweise mehrfach verschoben werden. Immer wieder fährt Dr. Cheuteu nach Nachtigal und Obala, um mit den Verantwortlichen zu sprechen, konkret mit den lokalen Behörden und dem Klinikchef. Fünfmal muss er den Weg von Yaoundé nach Nachtigal bzw. Obala auf sich nehmen, bis endlich alles in trockenen Tüchern ist. Erst genau 6 Tage vor Beginn der Kampagne kommt schließlich die lang ersehnte endgültige Genehmigung. Es ist also schon vorab ein unglaublicher Aufwand und zu bewundern, wie unser Dr. Cheuteu dies alles in stoischer Gelassenheit erträgt.

Dr. Raoul Cheuteu (l.) mit den lokalen Entscheidern in Nachtigal/Obala bei einer seiner 5 Vortouren

Am frühen Morgen des 18. Oktober trifft unser Team in Obala ein und bereitet alles für den Kampagnenstart vor. Zunächst müssen die beiden Transportfahrzeuge entladen werden. Denn die gesamte für die Kampagne benötigte Ausrüstung wird ja mitgeführt. Dazu gehören Augenuntersuchungsgeräte wie Spaltlampe, Retinograph, indirektes binokulares Ophthalmoskop und tragbares Tonometer, außerdem ein Sterilisator, ein Operationsmikroskop, chirurgische Instrumente, Anästhetika und Bandagen, Medikamente zur Überwachung und Nachversorgung sowie eine komplette augenoptische Werkstatt. Alles in allem summiert sich das auf beachtliche 320 kg.

Marktszene
Ärmliche Behausungen
Distriktkrankenhaus von Obala
Krankenhausgelände

Die Anschaffung all dieser Dinge wurde im Laufe der letzten Jahre durch großzügige Geld- und Sachspenden ermöglicht. Ohne unsere treuen Spender, die uns seit vielen Jahren zuverlässig unterstützen, wären unsere segensreichen Kampagnen in augenärztlich völlig unterversorgten Regionen von Kamerun bekanntlich nicht möglich. Dies kann man gar nicht oft genug betonen.

Das medizinische Team um Dr. Cheuteu und Prof. Dr. Giles Kagmeni besteht dieses Mal aus insgesamt 8 Personen: Drei Augenärzten, zwei MTAs, zwei Augenoptikern und einem Support-Mitarbeiter. Unterstützt wird das Team durch mehrere Mitarbeiter des Krankenhauses.

Der dritte Augenarzt oder besser die dritte Augenärztin ist Frau Dr. Josée Sohnagou. Sie hat erst kürzlich ihre Facharztausbildung abgeschlossen und bei ihrer Abschlussarbeit das OCT und andere medizinische Geräte der Augenklinik von Dr. Cheuteu in Yaoundé kostenlos nutzen dürfen. Im Gegenzug unterstützt sie nun unser Team bei der OP-Kampagne.

Unterstützende Mitarbeiter des Distriktkrankenhauses von Obala

Bereits am ersten Tag der Kampagne werden 152 Patienten untersucht und 23 von ihnen für eine Katarakt- (Graue-Star-) Operation am Folgetag ausgewählt. Wie schon vor einem halben Jahr in Sa´a haben viele Patienten sowohl Grauen Star als auch Onchozerkose/Flussblindheit. Da Flussblindheit eine Entzündung darstellt, können diese Patienten zunächst nicht operiert werden. OPs an entzündeten Augen verbieten sich. Zuerst muss die Flussblindheit geheilt werden. Dazu wird den Patienten das Medikament Mectizan verabreicht.

Der Patientenandrang ist …
… wie immer bei unseren Kampagnen beachtlich groß.
Administrationsbereich
MTA Anthony untersucht mit der Spaltlampe …
… und misst die Sehfähigkeit.
Auch Augenoptiker Ezekiel prüft das Sehvermögen, bevor er passende Brillen schleift.

Das folgende Foto zeigt die Untersuchung des von Flussblindheit betroffenen Patienten Serge Ambosomo durch Dr. Cheuteu. Die durch die Krankheit verursachte Narbe der Makula hat das Sehvermögen des rechten Patientenauges irreversibel zerstört.

Untersuchung des von Flussblindheit betroffenen Patienten Serge Ambosomo durch Dr. Cheuteu
Einseitiger …
… und beidseitiger Katarakt

Der im folgenden Foto gezeigte von Dr. Cheuteu untersuchte 72jährige Patient Jean Essomba wurde im Jahr 2021 einer beidseitigen Kataraktoperation unterzogen. Nach einiger Zeit stellte er aber fest, dass sein Sehvermögen wieder nachließ.

Bei der nun in Obala durchgeführten gründlichen Untersuchung entdeckt Dr. Cheuteu im Auge des Patienten ein Makulaloch. Dieses Krankheitsbild erfordert den Einsatz von Vitrektomie, ein Begriff, der eine Operation am Augapfel beschreibt, bei der der Glaskörper entfernt wird. Diese Art von Operation ist zurzeit aber weder bei einer OP-Kampagne noch in unserer neuen Augenklinik in Yaoundé möglich. Dafür fehlt bisher die gesamte erforderliche technische Ausstattung. Innerhalb des nächsten Jahres soll und wird sich dies allerdings mit der fest eingeplanten und finanziell bereits abgesicherten Einrichtung eines Retina-Zentrums in unserer neuen Augenklinik in Yaoundé ändern. Über dieses Thema werde ich demnächst an dieser Stelle berichten.

Der untersuchte Patient Jean Essomba weist im Auge ein Makulaloch auf.

Wir kommen zum nächsten Krankheitsbild. Die im folgenden Foto gezeigte Patientin Bernadette Beyala hat sich bei der Arbeit im Feld eine traumatische Verletzung des rechten Auges zugezogen. Um Geld zu sparen, ließ sie das Auge von einem Medizinmann mit traditioneller Medizin behandeln. Die Folge: Irreversible Blindheit des rechten Auges. Zum Schutz ihres verbleibenden linken Auges wird ihr eine Schutzbrille ausgehändigt. Mehr ist in ihrem Fall nicht mehr möglich.

Mit traditioneller Medizin ruiniertes Auge der Patientin Bernadette Beyala

Der nächste mit zwei Fotos dargestellte sehr traurige Fall betrifft den 32jährigen Patienten Iya Maliki. Im linken Auge leidet er an einer mit Flussblindheit verbundenen Uveitis, einer Entzündung im Augen-Inneren. Dies führte zu einem hyperreifen, nicht operierbaren sekundären Katarakt. Sein rechtes, ebenfalls an Uveitis und Flussblindheit erkranktes Auge entwickelte dagegen ein neovaskuläres Glaukom, also einen Grünen Star. Ergebnis: Beide Augen irreversibel blind. Nichts mehr zu machen.

Der 32jährige Iya Maliki wird von einer Mitarbeiterin des Krankenhauses untersucht.
Der junge Mann ist für den Rest seines Lebens blind.

Am zweiten und dritten Kampagnentag werden die vorgesehenen Operationen durchgeführt. Wie regelmäßig auch bei praktisch allen anderen Kampagnen führt Prof. Kagmeni den Löwenanteil der Katarakt-OPs aus, während Dr. Cheuteu sich auf die Organisation des gesamten Ablaufs, die Anästhesie und die Netzhautfälle konzentriert. Die dritte Medizinerin, Frau Dr. Sohnagou, assistiert.

Prof. Dr. Giles Kagmeni bereitet sich auf die OPs vor.
Dr. Raoul Cheuteu bei der Anästhesie
Prof. Dr. Giles Kagmeni …
… bei der Durchführung …
… und nach Abschluss einer beidseitigen Katarakt-Operation

Bei der OP-Kampagne in Sa´a vor einem halben Jahr waren mit nur sehr wenigen Ausnahmen keine beidseitigen Katarakt-Operationen durchgeführt worden, weil die Anzahl der operablen Augen die Kapazität des Teams bei weitem übertraf. Dies ist in Obala anders. Hier werden 435 Patientenaugen untersucht und 81 von Katarakt betroffene Augen diagnostiziert. Davon können aber leider nur 42 Augen operiert werden. Bei den restlichen 39 Augen wird dies durch das gleichzeitige Vorhandensein der Flussblindheit verhindert, die wie schon angesprochen zunächst medikamentös mit Mectizan behandelt und geheilt werden muss. 7 Patienten kommen durch diesen Umstand in den Genuss einer beidseitigen Katarakt-Operation, was für sie natürlich erhebliche Vorteile bietet. Sie können früher wieder mit beiden Augen sehen, und es erspart ihnen eine Vielzahl von Arztbesuchen.

Zusammen mit einer Pterygium-OP ergeben sich in Obala insgesamt 43 durchgeführte Operationen. Hinzu kommen als Kampagnenergebnis noch 45 maßgeschneiderte Brillen, die vor Ort angefertigt und an die betroffenen Patienten verteilt werden.

Beidseitig operierter Patient
Patienten nach erfolgter Operation

Die operierten Patienten bleiben zunächst zur Beobachtung im Krankenhaus und dürfen sich dann am Abend zu ihrer Unterkunft begeben. Am nächsten Morgen werden ihnen die Verbände abgenommen, und für die nun endlich wieder Sehenden beginnt ein neues Leben.

Beidseitig operierter Patient wird abends zu seiner Unterkunft gebracht.
Große Freude am nächsten Tag nach Abnahme der Verbände
Ein pensionierter Unterpräfekt kann wieder sehen …
… und wird mit Schutzbrille ausgestattet.
Freudestrahlendes Gesicht

Einige ausgewählte Patienten bestätigen …

… ihre Zufriedenheit mit ihrer OP in einem kleinen Video.