Ein Container mit medizinischem Hilfsmaterial für Kamerun

Angefangen hat die spannende Geschichte, die hier erzählt werden soll, ganz unspektakulär. Im Januar 2020 äußert der deutsche Militärattaché in Kamerun, Oberstleutnant Fritz Dollwet, gegenüber unserem kamerunischen Augenarzt Dr. Raoul Cheuteu die Idee, beim deutschen Verteidigungsministerium einen „Antrag auf unentgeltliche Überlassung von Hilfsgütern aus Beständen der Bundeswehr im Rahmen der humanitären Hilfe für Kamerun“ einzureichen. Es ist derselbe Oberstleutnant, der ein paar Wochen später am 25.02.2020 die deutsche Botschaft in Kamerun bei der Grundsteinlegung für unsere neue Augenklinik in Ambam in Süd-Kamerun vertritt (wir berichteten).

Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich dieser Idee von Anfang an keine allzu großen Chancen gebe. Aber dann denke ich: Versuchen kann man es ja mal, ein Versuch kostet nichts – bis auf ein bisschen Arbeit. Dr. Cheuteu schreibt eine lange Wunschliste, und am 02.02.2020 schicke ich einen ausführlichen Brief an das Verteidigungsministerium mit der Bitte um Unterstützung. Monatelang passiert dann gar nichts, und ich habe den Vorgang innerlich längst abgehakt und fast vergessen. Doch dann, mit Datum 27.07.2020, erreicht uns ein Schreiben der Bundeswehr, in dem der Augenhilfe Afrika Sanitätsmaterial im Wert von mehr als 10 TEUR zugesagt wird. Die insgesamt 29 Positionen beinhaltende Artikelliste hat zwar nur entfernte Ähnlichkeit mit der ursprünglichen Wunschliste von Dr. Cheuteu, aber es sind nach dessen Aussage alles Dinge, die er in Kamerun für Ausstattung und Betrieb der neuen Augenklinik in Ambam bzw. für unsere Operationskampagnen gut gebrauchen kann.

Endgültige Artikelliste der Bundeswehr

Das Material wird in der Kaserne von Gronau im Münsterland zusammengestellt. Dabei gibt es bei einzelnen Positionen noch ein paar unwesentliche Änderungen. Einiges fällt weg, anderes kommt hinzu. Für das weitere Vorgehen stellt sich im nächsten Schritt nun zwangsläufig eine entscheidende, nicht ganz triviale Frage: Wie bekommen wir die gespendeten Hilfsgüter von Gronau aus sicher und möglichst kostengünstig nach Kamerun? Denn die Übernahme am Kasernentor, die Organisation des Transports sowie die Ablieferung und ordnungsgemäße Verwendung in Afrika hatte ich der Bundeswehr auf deren Forderung hin schon im Antragsschreiben schriftlich zusagen müssen.

Zum Glück erinnere ich mich bei der Suche nach einer Lösung an einen alten und bewährten Geschäftskontakt zur weltweit tätigen Logistikfirma Kühne+Nagel. Ein Anruf an der richtigen Stelle genügt, und Kühne+Nagel erklärt sich spontan bereit, für uns einen 20-Fuß-Container bereitzustellen und diesen kostenlos zum Hafen von Douala in Kamerun zu befördern.

Dies ist für unser Vorhaben natürlich ein ganz entscheidender Fortschritt. Allerdings haben wir noch ein weiteres Thema auf der Agenda. In den letzten Monaten bekam die Augenhilfe eine ganze Reihe von Materialspenden von Augenoptikbetrieben, die alle Mitglieder der IGA OPTIC eG sind, einer Interessengemeinschaft selbständiger Augenoptiker mit über 500 Geschäften in Deutschland. Dieser Verband wurde vor über 40 Jahren vom Augenhilfe-Vorstandsmitglied Max Heinrichs mitgegründet. Zu dem an uns gespendeten Material gehören zum einen augenoptische Geräte wie ein Keratometer und ein Frontofokometer, aber auch Brillengläser und Brillenfassungen. Natürlich muss auch dieses auf drei große Holzkisten verteilte Material irgendwann und irgendwie nach Kamerun. Was liegt also näher, als es mit dem Bundeswehr-Material gemeinsam zu verschicken?

Wir entscheiden, die Sachspenden aus beiden Quellen auf dem Gelände meines Bruders Günter Thoren zusammenzuführen, der in Korschenbroich die Firma Fachwerk-Antik GmbH betreibt und auch Mitglied der Augenhilfe Afrika ist. Am 16.11.2020 lässt er die Bundeswehr-Hilfsmaterialien mit einem Lastwagen von Gronau auf sein Betriebsgelände nach Korschenbroich bringen. Die drei erwähnten Kisten mit dem augenoptischen Gerät, die seit einiger Zeit bei einem anderen Augenhilfe-Mitglied in einer Scheune lagern, holt er dort ab und fügt sie der Bundeswehr-Lieferung hinzu.

Die Bundeswehr-Spende ist in Korschenbroich angekommen.
Die Entladung beginnt, …
… geht zügig vonstatten …
… und ist bald abgeschlossen.
Das sind die drei Kisten mit dem von der IGA OPTIC eG gespendeten augenoptischen Gerät.

Noch eine weitere Sachspende findet den Weg zum Sammelpunkt in Korschenbroich. Über den Chef der Unfallchirurgie und Orthopädie im Krankenhaus Leonberg, PD Dr. Michael Sarkar, bekomme ich Kontakt zur Augenarztpraxis von Dr. Vera Boesche-Abele und Dr. Michael Schork im schwäbischen Schwaigern bei Heilbronn. Und diese beiden Augenärzte spenden uns ein ausrangiertes, aber voll funktionsfähiges Augenoperationsmikroskop mit zugehörigem OP-Drehstuhl sowie einen Sterilisator. Am selben Tag, an dem die Bundeswehrlieferung in Korschenbroich ankommt, hole ich diese Geräte mit meinem Bruder Günter in Schwaigern ab. Es sind etliche Stunden Fahrt mit dem Transporter von Korschenbroich dorthin, und das Einladen in den Sprinter erweist sich als schwieriger als gedacht. Denn das OP-Mikroskop, das aufrecht stehend transportiert werden muss, wiegt ca. 180 kg, ist sehr unhandlich und passt von der Höhe her nur ganz knapp in das Fahrzeug hinein.

Langer Rede kurzer Sinn: Wir beide schaffen es nicht, das schwere Gerät in den Sprinter zu wuchten. Nun ist guter Rat teuer. Kurzentschlossen rufen wir die Freiwillige Feuerwehr Schwaigern an, und schon nach wenigen Minuten erscheint zu unserer Unterstützung ein kräftiger junger Mann, mit dessen Hilfe das OP-Mikroskop in kürzester Zeit eingeladen ist und fest verzurrt werden kann. Wir sind dem hilfsbereiten Feuerwehrmann für seine tatkräftige Unterstützung sehr dankbar.

Vor der Augenarztpraxis in Schwaigern
Mit Hilfe der Freiwilligen Feuerwehr wird das OP-Mikroskop eingeladen und mit Spanngurten gesichert.
Auch der Sterilisator wird von Günter Thoren fest verstaut.

Damit ist das Gesamtpaket für den Transport des Kühne+Nagel-Containers nach Kamerun aber immer noch nicht fertig geschnürt. Denn Augenhilfe-Vorstandsmitglied und -Kassierer Josef Cremer, der in einem der Düsseldorfer Finanzämter arbeitet, erfährt, dass dort mehrere Laptops, Docking Stations und Schreibtische ausgemustert werden sollen und zur Abgabe an interessierte gemeinnützige Organisationen freigegeben sind. Dieses noch voll funktionstüchtige Material könnte in Kamerun in unserer Augenklinik noch lange gute Dienste tun. Also wird es für die Augenhilfe akquiriert, nach Korschenbroich gebracht, dort soweit erforderlich gereinigt und für den Transport sicher verstaut. Damit sind die Kapazitäten des Containers nach Einschätzung der unmittelbar Beteiligten voll ausgereizt. Mehr geht nicht.

Augenhilfe-Vorstände Josef Cremer (l.) und Max Heinrichs beim Reinigen der Schreibtische

Nachdem das Erstellen der Proforma-Rechnung / Packliste für den Zoll abgeschlossen ist und die Buchungsbestätigung der Reederei bei Kühne+Nagel vorliegt, wird der 20-Fuß-Container am 25.11.2020 in Korschenbroich angeliefert, unmittelbar anschließend beladen und per LKW und Bahn zum Hamburger Hafen transportiert.

Die in Korschenbroich fertig zusammengestellte Hilfslieferung vor der Verladung
Mit dem Gabelstapler belädt Günter Thoren Schritt für Schritt …
… den von Kühne+Nagel bereitgestellten Container.
Zum Abschluss wird der Frachtbrief unterschrieben.

Von Hamburg aus sticht das über 300 m lange Containerschiff MS Cap San Lorenco der Reederei Hamburg Süd am 30.11.2020 mit unserem Container an Bord in See. Im spanischen Algeciras wird dieser noch einmal umgeladen, wobei es durch eine unplanmäßige Änderung des übernehmenden Schiffes zu einer Verzögerung von insgesamt gut drei Wochen kommt, und erreicht schließlich am 26.1.2021 den Hafen von Douala, Kamerun.

Mit der MS Cap San Lorenco der Reederei Hamburg Süd erfolgt der Transport nach Douala, Kamerun.

Dr. Cheuteu hat inzwischen bei den zuständigen kamerunischen Behörden eine 50%ige Reduktion des fälligen und leider unvermeidlichen Einfuhrzolls erreichen können. Und um die vielen weiteren bürokratischen Hürden bei der Übernahme des Containers zu nehmen, muss sich Dr. Cheuteu dann für zwei Nächte in Douala in Hafennähe einquartieren. Dann hat er es geschafft. Der Container wird freigegeben, und der Inhalt kann in einen mitgebrachten Lastwagen umgeladen werden. Diesen ziert die uns durchaus vertraut vorkommende Firmen-Aufschrift „Wäscherei Tetkov“. Bevor es ihn gegen Ende seines sicher ziemlich bewegten Lebens nach Kamerun verschlagen hat, stand der LKW in Diensten der entsprechenden Firma aus Bad Buchau in Oberschwaben.

Bedauerlicherweise existieren vom eigentlichen Ausladevorgang des Containers, der gemäß Absprache mit Kühne+Nagel im Hafen zurückbleiben muss, keinerlei Fotos. Denn im Hafen von Douala herrscht leider ein striktes Fotografierverbot.

Der Container ist im Hafen von Douala angekommen.
Mit diesem LKW wird der Container-Inhalt weitertransportiert.
Das Umpacken von Hand ist harte Arbeit.

Am frühen Morgen des 5. Februars kommt das gespendete Hilfsmaterial schließlich unversehrt und vollständig in Yaoundé an. Dr. Cheuteu lässt es dort an seiner Klinik erst einmal komplett ausladen.

Ankunft …
… und Entladen des LKWs …
… in Yaoundé
Auch das empfindliche OP-Mikroskop ist heil angekommen.

Der größere, nicht für Yaoundé bestimmte Teil des medizinischen Hilfsmaterials wird dann am 12.2. nach Ambam in Süd-Kamerun weitertransportiert. Dr. Cheuteu begleitet den Transport und räumt vor Ort angekommen alles in die neu gebaute Augenklinik ein, deren Eröffnung und Inbetriebnahme unmittelbar bevorsteht. Damit ist die Episode Container, die uns über viele Monate beschäftigt hat, erfolgreich abgeschlossen.

Der für Ambam bestimmte Anteil des Container-Inhalts wird auf diesen LKW …
… und unseren eigenen Toyota-Pickup umgeladen.
Unsere neu erbaute Augenklinik in Ambam
Dr. Raoul Cheuteu (links) beim Ausladen in Ambam
Eins der von der Bundeswehr gespendeten Krankenbetten am Bestimmungsplatz in der Augenklinik von Ambam

Wir danken den vielen Organisationen, Firmen und Einzelpersonen, die zu diesem Erfolg beigetragen haben, aus ganzem Herzen. Für die vielen Blinden und Sehbehinderten in Afrika ist es ein weiteres deutliches Zeichen der Hoffnung.