15-jährige Achiyatou bekommt das Augenlicht geschenkt

Auch bei der Operationskampagne in Ngaoundal Anfang März 2019 handelt es sich beim überwiegenden Teil der Operationen um Grauen Star. Meistens tritt diese auch Katarakt genannte Erkrankung erst in fortgeschrittenem Alter auf. Es gibt jedoch auch Ausnahmen. Die allererste in Ngaoundal zur Operation vorgesehene Patientin ist eine solche Ausnahme. Es handelt sich um Achiyatou, ein 15jähriges Mädchen, das nach Angaben ihrer Eltern von Geburt an blind ist. Sie hat beidseitigen Grauen Star und demnach noch nie irgendetwas gesehen. Keinen Menschen, keinen Baum, kein Haus. Und genau dieser Krankheitsfall entwickelt sich für mich und das komplette Team zum bewegendsten der gesamten Kampagne.

Die 15-jährige Achiyatou mit beidseitigem Grauen Star (hier schwer zu erkennen)
Achiyatou wartet mit ihren Mit-Patienten auf ihre Operation.
Mit Augentropfen wird Achiyatou von Mariama auf die OP vorbereitet.
Letzte Vorbereitungen auf dem OP-Tisch
Unmittelbar vor der OP. Die trüben Linsen sind sehr gut zu erkennen.

Prof. Kagmeni operiert zuerst das eine und direkt anschließend das andere Auge. Es wird eine Salbe aufgetragen, die Augen werden verbunden, und die Verbände bleiben bis zum nächsten Morgen an ihrem Platz. Die Beantwortung der Frage, ob Achiyatou durch die Operation erstmals die Fähigkeit zu sehen erlangt, muss bis zur Abnahme der Verbände vertagt werden.

Professor Kagmeni führt die Operation durch.
Großer Andrang im OP-Saal wegen der Besonderheit des Falles
Die Operation ist vorbei. Die Augen werden verbunden.
Alles hat perfekt geklappt. Jetzt heißt es warten bis zum nächsten Tag.
Achiyatou ruht sich nach der OP aus. Am Bett sitzt ihre Mutter.
Den Rest des Tages bleibt Achiyatou genau wie die anderen frisch operierten Patienten unter Beobachtung.

Am nächsten Morgen kommt der spannende Moment, wenn die Verbände der am Vortag operierten Patienten abgenommen werden. Es ist immer wieder bewegend, die Freude der Menschen zu sehen, die wieder sehen können. Viele strahlen über das ganze Gesicht. Bei Achiyatou geht es nicht darum, „wieder“ sehen zu können. Bei ihr geht es um erstmaliges Sehen. Als sie nach der Entfernung der Verbände die Augen öffnet, steht ihr ungläubiges Staunen ins Gesicht geschrieben. Dann lächelt sie und schaut mich verwundert an. Ich winke ihr zu. Und dann geschieht das Unfassbare: Sie winkt zurück.

Die Verbände sind abgenommen. Achiyatou kann sehen und strahlt in die Kamera.

Kurz darauf zeigt ihre Mutter auf meine Hand und erklärt dem Mädchen, dass diese die Farbe blanc, also weiß hat und ihre eigene Hand die Farbe noir, also schwarz. Die französischen Worte blanc und noir waren dem Mädchen wohlbekannt, aber die Bedeutung wird ihr erst jetzt klar, nachdem ihr durch die Operation vom Vortag das Augenlicht geschenkt wurde.

Die beschriebene Episode ist für mich beglückender als alles, was ich bisher an schönen Momenten bei unseren Operationskampagnen erlebt habe. Ich werde dieses Erlebnis nie vergessen. Es zeigt für mich wie kein anderes den Sinn und Zweck unserer gemeinnützigen Arbeit.

Wir bringen Achiyatou (Bildmitte in gelbem Gewand) nach Hause. Für sie fängt ein neues Leben an.

Zweieinhalb Monate nach der Operation wurde folgendes Foto von dem Mädchen aufgenommen:

Achiyatou zweieinhalb Monate nach der Operation

Es ist buchstäblich ein Bild aus einer anderen Welt. Für Achiyatou hat das Leben neu begonnen.