OP-Kampagne in Mokolo

Am Dienstagmorgen, 22. November 2022, meldet sich mein Wecker bereits um 5.00 h. Kurz darauf fahren Dr. Raoul Cheuteu, mein Bruder Günter und ich zum Flughafen von Yaoundé, wo wir unsere Mitreisenden treffen. Unser Flug geht um 8.30 h zunächst nach Douala und dann nach dem Umsteigen in eine andere Maschine weiter nach Maroua, der Hauptstadt der kamerunischen Région de l’Extrême-Nord.

Außer meinem Bruder Günter und mir fliegen sechs Mitglieder des Augenhilfe-Teams mit: Dr. Raoul Cheuteu, Prof. Dr. Giles Kagmeni, Dr. Bernadette Kamga, die vor ein paar Jahren eine Zeitlang an der Augenklinik von Dr. Cheuteu in Yaoundé gearbeitet hat, die beiden MTAs Anthony Akpeny und Fred Chilla sowie unser Augenoptiker Ezekiel Ldakaya Guedeya, der geschickterweise aus der Nähe von Mokolo stammt und somit über für uns sehr nützliche Kenntnisse der lokalen Sprachen verfügt. Für ihn ist es der erste Heimatbesuch seit drei Jahren und der erste Flug seines Lebens überhaupt.

Das Team ist insgesamt aus Kostengründen bewusst klein gehalten und soll in Mokolo durch am Kampagnenort, dem Hôpital Régional Annexe de Mokolo, vorhandenes Personal verstärkt werden.

Vor dem Einchecken – im Gespräch mit dem Augenoptiker Ezekiel Ldakaya Guedeya
Unser Flugzeug vom Typ Dash8

Wir haben insgesamt 350 kg Gepäck dabei, verteilt auf 15 Gepäckstücke. Bei der Ankunft in Maroua sind dann aber leider nur 11 davon da. Vier Gepäckstücke fehlen also, darunter sowohl mein Koffer als auch der von Günter. Die zugrunde liegende Ursache ist überraschenderweise die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Denn alle großen Flugzeuge der kamerunischen Fluggesellschaft Camair-Co bedienen aktuell die Strecke nach Doha, und für den nationalen Flugverkehr werden vorübergehend nur die deutlich kleineren Propellermaschinen des kanadischen Typs Dash8 eingesetzt, die nur über vergleichsweise geringe Laderaumkapazitäten verfügen.

  

Mokolo liegt in der Région de l’Extrême-Nord, westlich von Maroua und südwestlich von Mora

Während Yaoundé und Ambam im tropischen Urwaldgebiet Kameruns liegen, dominiert in der Région de l’Extrême-Nord eindeutig offene Savannenlandschaft. Im Südwesten der Region erstrecken sich entlang der Grenze zu Nigeria die malerischen Mandara-Berge mit ihren exotisch anmutenden Gehöften, die traditionell aus riedgedeckten runden oder rechteckigen Hütten bestehen, aber zunehmend von optisch deutlich weniger attraktiven Wellblechhütten abgelöst werden. Rieddächer müssen alle zwei Jahre erneuert werden, Wellblechdächer dagegen nicht. Der geringere Arbeitsaufwand durch die Verwendung von Wellblech wird allerdings mit einer erheblichen Verschlechterung des Raumklimas erkauft.

Traditionelle Gehöfte …
… im Bereich der Mandara-Berge

Untergebracht sind wir in Mokolo im Hotel Flamboyant, nur wenige Gehminuten von unserem Kampagnenort, dem Hôpital Régional Annexe de Mokolo, entfernt. Das Hotel besteht aus gemauerten Bungalows, die den traditionellen Rundhütten nachempfunden sind, und verfügt über ein Restaurant, das sowohl Frühstück als auch Abendessen anbietet. Wir fühlen uns hier sehr gut aufgehoben. Eine so ansprechende Unterkunft hatte ich bei meinen letzten drei Kampagnenteilnahmen jedenfalls nicht.

Unterkunft im Hotel Flamboyant
Zu Besuch beim Präfekten von Mayo-Tsanaga

Bevor wir im Krankenhaus alles für den ersten Kampagnentag vorbereiten, statten wir dem Präfekten von Mayo-Tsanaga einen Höflichkeitsbesuch ab. Der Präfekt macht einen sehr guten Eindruck auf uns, steht voll hinter unserer Kampagne und übernimmt sogar die Kosten für unsere erste Hotelübernachtung. Auf meine Frage zur Sicherheitslage bzgl. Boko Haram versichert er uns, dass Boko Haram in Kamerun keine Gefahr mehr darstellt. Tatsächlich erfahren wir später, dass Boko Haram schon vor drei Jahren aus Kamerun über die Grenze nach Nigeria zurückgedrängt wurde. Bei diesem Prozess wurde die lokale Bevölkerung in hohem Maße und offenbar sehr erfolgreich eingebunden.

Mariama beispielsweise, die uns seit 2014 schon mehrfach im kamerunischen Norden bei unseren Kampagnen vor allem mit Hilfe ihrer umfassenden Sprachkenntnisse unterstützt hat und die wir ein paar Tage später in Mora treffen, arbeitet seit einiger Zeit in einem Resozialisierungsprojekt zur Wiedereingliederung ehemaliger Boko-Haram-Angehöriger in die Gesellschaft. Es wird also nicht nur militärisch, sondern auch von Seiten der kamerunischen Zivilgesellschaft einiges getan. Und wir haben auch tatsächlich während unserer gesamten Zeit im Norden Kameruns nie das Gefühl irgendeiner Bedrohung, auch nicht, wenn wir beispielsweise nachts einzeln und völlig ungeschützt mit Mototaxis unterwegs sind.

Vor dem Hôpital Régional Annexe de Mokolo, unserem Kampagnenort

Im Krankenhaus von Mokolo dürfen wir erfreulicherweise die Räume der Organisation Ophtalmo sans Frontières benutzen. Dies ist eine NGO, die sich wie auch die Augenhilfe dem Kampf gegen die Blindheit verschrieben hat. Sie verfügt in Mokolo über augenmedizinisches Personal und auch eine gewisse augenärztliche Grundausstattung, aber über keinen Augenarzt.

Insgesamt vier lokale Kräfte von Ophtalmo sans Frontières unterstützen uns während der Kampagne: MTA Mme Carmen Kogné Zima, MTA M. Hamadou Yanamaï sowie M. Abdoulaye Aboubakar und M. Jérôme Tigé. Vor allem Mme Kogné ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben. Sie entwickelt sich von Tag zu Tag zu einer immer größeren und wichtigeren Hilfe. Sie war schon mehrfach in Deutschland, um ihren dort lebenden Bruder und dessen Familie zu besuchen und spricht recht gut Deutsch – jedenfalls viel besser als ich Französisch.

Von links: Abdoulaye Aboubakar, Prof. Dr. Giles Kagmeni, Jérôme Tigé, MTA Carmen Kogné Zima, Dr. Raoul Cheuteu, MTA Hamadou Yanamaï. Im Hintergrund links unser MTA Fred Chilla
MTA Carmen Kogné Zima und MTA Hamadou Yanamaï von der NGO Ophtalmo sans Frontières
Unsere Augenärzte Dr. Raoul Cheuteu (l.) und Prof. Dr. Giles Kagmeni
Günter Thoren vor dem Kampagnen-Banner

Der Andrang der Patienten und ihrer Begleiter am ersten Kampagnentag ist geradezu unfassbar. Mokolo erweist sich nach Vorliegen der Zahlen dann tatsächlich auch als unsere am stärksten frequentierte OP-Kampagne aller Zeiten. So etwas hatten wir noch nie. Dr. Cheuteu steht bei seinen ersten Voruntersuchungen geradezu vor einer Wand aus Patienten, die alle nach vorne drängen, um ihre Chance auf Behandlung zu erhöhen. Auch die gelb gekleideten Sicherheitskräfte des Krankenhauses mit ihren Schlagstöcken sind weitgehend machtlos.

Ein vernünftiges Arbeiten ist so praktisch nicht möglich. Dr. Cheuteu zieht daraus nach einiger Zeit die Konsequenz, geht außen um das Gebäude herum und führt seine Untersuchungen bei den ganz hinten befindlichen Patienten weiter, den Kindern, Schwachen und Gebrechlichen, die es nicht nach vorne geschafft haben. Somit gilt das Motto: Die Letzten werden die Ersten sein. Interessanterweise dauert es eine ganze Weile, bis die vorne Stehenden den Wechsel des Geschehens mitbekommen.

Dr. Cheuteu führt anschließend einige von ihm ausgewählte Patienten auf dem gleichen Weg außen um das Gebäude herum zurück zu den Behandlungsräumen. Und nach gewisser Zeit setzt sich bei den Hilfesuchenden nach dem anfänglichen Ansturm und dem damit einhergehenden Durcheinander eine gewisse Ordnung durch. Die Lage beruhigt sich zunehmend.

Großer Patientenandrang am ersten Kampagnentag
Dr. Raoul Cheuteu (M.) begibt sich nach hinten, …
… untersucht dort Kinder, Schwache und Gebrechliche …
… und führt diese auf Umwegen zu den Behandlungsräumen.

Wieder im Gebäude angekommen setzt Dr. Cheuteu dort die Untersuchungen fort. Auch die anderen Mitglieder des Teams sind bereits voll im Einsatz. MTA Anthony Akpeny kümmert sich vor allem um die Ausmessung der Augen mit der Bestimmung der Sehschärfe, und unser Augenoptiker Ezekiel schleift unermüdlich Brillengläser und passt Brillen an.

Im OP-Saal bereiten Prof. Kagmeni, Dr. Kamga und MTA Fred alles für die Operationen vor. Die ersten Graue-Star-Patienten werden parallel von Dr. Cheuteu anästhesiert, und bald können die OPs beginnen. Prof. Kagmeni operiert, Dr. Kamga und Fred assistieren.

Auch ganz junge Augenpatienten brauchen bereits Hilfe.
MTA Anthony Akpeny bei einer Augenuntersuchung
Hier werden Augen vermessen.
Augenoptiker Ezekiel Ldakaya Guedeya beim Anfertigen maßgeschneiderter Brillen

Ein Teil unseres OP-Mikroskops befindet sich im fehlenden, noch nicht nachgelieferten Gepäck, was dazu führt, dass Prof. Kagmeni bei den Operationen mit dem altersschwachen OP-Mikroskop vorliebnehmen muss, das immerhin und zu unserem großen Glück im Krankenhaus vorhanden ist. Fehlende Verstellmöglichkeiten behindern ihn leider bei den OPs erheblich und bremsen ihn gewissermaßen auch etwas aus, so dass alles deutlich länger dauert als eigentlich für ihn typisch. Doch immerhin kann er alle anstehenden Operationen mit dem vorhandenen Mikroskop erfolgreich durchführen.

Auch die elektrische Zange zum Verschweißen der aufgeschnittenen Bindehaut am Ende jeder OP fehlt, so dass jeweils mit Streichhölzern bzw. Feuerzeugen ein Metallstift glühend gemacht werden muss, mit dem Prof. Kagmeni dann die Bindehaut verschweißt.

Dr. Raoul Cheuteu nimmt die lokale Anästhesie eines zu operierenden Auges vor.
Mit vereinten Kräften wird ein Patient in den OP-Saal gebracht.
Eine Patientin wird auf dem OP-Tisch platziert.
Prof. Dr. Giles Kagmeni operiert.
Typischer voll ausgereifter Grauer Star
Ein Feuerzeug kommt zum Einsatz.
Nach der OP wird das operierte Auge verbunden.

Auch beidseitig vom Grauen Star betroffene Patienten werden bei der Kampagne in Mokolo anders als sonst üblich nur einseitig operiert, um so eine größere Anzahl blinder Menschen operieren zu können, die dann wenigstens wieder mit einem Auge sehen können. Die Anzahl der festgestellten blinden Augen in Mokolo ist einfach zu hoch und übersteigt unsere Möglichkeiten. Das von Prof. Kagmeni am ersten OP-Tag bewältigte Volumen beträgt 20 Graue-Star-OPs, und Ezekiel schafft sogar geradezu unglaubliche 21 maßgeschneiderte Brillen.

Am nächsten Morgen ist der Andrang immer noch gewaltig, aber es geht schon deutlich gesitteter zu. Sowohl die Patienten als auch ihre Begleiter haben sich inzwischen an das Procedere gewöhnt. Die am Vortag operierten Personen warten bei unserer Ankunft bereits darauf, dass ihnen die Verbände abgenommen werden. Dies geschieht sehr zügig, quasi kurz und schmerzlos. Die Reaktionen der Patienten erfolgen dabei in allen möglichen Sprachen, in Mokola, Mandara oder auch Französisch und sind für meinen Bruder Günter und mich kaum zu interpretieren. Nur ab und zu bekommen wir Aussagen der von den Verbänden befreiten Patienten übersetzt. Die erste Reaktion eines Patienten, der nach langer Zeit endlich wieder sehen kann, bezieht sich beispielsweise auf die Schreibgeräte, die unser MTA Anthony gut sichtbar in seiner Brusttasche aufbewahrt: „Ich sehe Ihre zwei Kugelschreiber.“ So etwas ist dann natürlich sehr schön und irgendwie auch lustig.

Regelrecht überschäumende Freude ist selten festzustellen, eher ungläubiges Staunen. Aber das ist natürlich auch eine Mentalitätsfrage. Die Menschen im Norden sind diesbezüglich eher zurückhaltend.

Auf dem morgendlichen Weg vom Hotel zum Krankenhaus von Mokolo
Wartende Patienten und Angehörige am zweiten Kampagnentag
Prof. Dr. Giles Kagmeni …
… und Dr. Raoul Cheuteu mit Patienten vor der Verbandsabnahme
Patientinnen und …
… Patienten vor der Verbandsabnahme
Dr. Raoul Cheuteu …
… nimmt die Verbände ab.
Dr. Raoul Cheuteu (l.) und Prof. Dr. Giles Kagmeni mit glücklicher Patientin, die wieder sehen kann
Prof. Dr. Giles Kagmeni (M.) mit den operierten Patienten des Vortages

Nachdem die Abnahme der Verbände abgeschlossen ist, wird die Arbeit des Vortages fortgesetzt. Augen werden untersucht, Brillen angefertigt, der OP-Saal für die anstehenden Operationen vorbereitet und die ersten Patienten anästhesiert. Dr. Cheuteu hält darüber hinaus immer wieder kurze Ansprachen an die Menschenmenge, um die allgemeine Ordnung aufrecht zu erhalten. Um ausreichende Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu gewährleisten, nutzt er dazu einen Stuhl als Podium.

Eine von vielen Ansprachen von Dr. Raoul Cheuteu
Vorne sitzen die Patienten, die als Nächste operiert werden.
Patientin wird auf OP-Tisch platziert.

Video: Prof. Dr. Giles Kagmeni operiert einen Grauen Star

Video: Die künstliche Linse wird ins Auge eingebracht.

Eine kleine Episode, die in Europa völlig undenkbar wäre, möchte ich an dieser Stelle gerne einfügen. Um den Tag besser überstehen zu können, kaufe ich mir am Morgen auf dem Weg zum Krankenhaus an einer Tankstelle als Mittagessen eine Schachtel Kekse. Irgendwann im Laufe des Vormittags spricht mich Dr. Cheuteu auf diese Kekse an und bittet mich, sie ihm auszuhändigen. Ein unmittelbar vor der OP stehender Patient, der aus 250 km Entfernung angereist ist, hat seit drei Tagen nichts gegessen und steht kurz vor dem Kollaps.

Damit habe ich mein Mittagessen eingebüßt. Dr. Cheuteu reicht dem erschöpften Patienten eine Handvoll Kekse, worauf auch die anderen OP-Kandidaten ihren Hunger bekunden. So kommen meine Kekse komplett unters Volk und tragen hoffentlich ein klein wenig zum erfolgreichen Verlauf der Kampagne bei.

Dr. Raoul Cheuteu verteilt Kekse.
MTA Hamadou Yanamaï ruft die nächsten Patienten auf.
Diese jungen Damen warten auf eine neue Brille.
Die am zweiten OP-Tag von Prof. Dr. Giles Kagmeni herausoperierten 26 undurchsichtig gewordenen Linsen

In den immer noch nicht aufgetauchten vier verloren gegangenen Gepäckstücken befindet sich bedauerlicherweise auch ein Teil der künstlichen Linsen, die uns jetzt folglich fehlen. Zu allem Überfluss sind auch noch drei Original-Packungen künstlicher Linsen aus indischer Produktion schlicht und ergreifend leer. Nach den 20 OPs am Mittwoch, dem ersten Kampagnentag, kann Prof. Kagmeni am Donnerstag weitere 26 OPs durchführen. Mit den daraus resultierenden insgesamt „nur“ 46 Graue-Star-Operationen haben wir nun jedoch quasi unser gesamtes Pulver verschossen. Für den dritten Kampagnentag sind schlicht und ergreifend keine künstlichen Linsen mehr da.

Und so werden am Freitagmorgen lediglich die am Vortag operierten Patienten betreut, inzwischen fertiggestellte Brillen verteilt, Gruppenfotos gemacht und Patienten, die aus Kapazitätsgründen nicht operiert werden können, in lange Listen aufgenommen.

Am Ende stehen insgesamt 117 Personen mit Katarakt-Erkrankungen auf dieser Warteliste, davon 44 beidseitig erkrankte, also völlig blinde Patienten. Das macht erschreckende 161 Katarakt-OPs, die nicht durchgeführt werden können, sondern verschoben werden müssen. Das sind mehr Operationen, als wir in drei „normalen“ OP-Kampagnen bewältigt bekommen. Wir werden somit in absehbarer Zeit nach Mokolo zurückkehren müssen, ggf. für einen längeren Zeitraum als üblich.

Prof. Dr. Giles Kagmeni untersucht den Sitz der künstlichen Linse bei am Vortag operiertem Patienten. Hinten unser MTA Fred Chilla
Dr. Raoul Cheuteu …
… und MTA Hamadou Yanamaï organisieren die Wartelisten-Schlange.
Diese Sehbehinderten haben neue maßgeschneiderte Brillen bekommen.

Am Freitagmittag erfolgt endlich die lang ersehnte Anlieferung vermisster Gepäckstücke. Es kommen allerdings nicht alle vier an, sondern nur drei. Mein Koffer fehlt weiterhin. Eine neue Zahnbürste und Zahnpasta konnte ich immerhin nach mehreren Tagen mit ungeputzten Zähnen am Vorabend bereits erwerben. Ein kleines Teilproblem ist somit inzwischen bereinigt. Und für den Rest ergibt sich sicher auch noch irgendeine Lösung. Kommt Zeit, kommt … Koffer. Alles halb so schlimm.

In Günters jetzt wieder aufgetauchtem Koffer befinden sich etliche künstliche Linsen, die nun aber nicht mehr verarbeitet werden können. Dafür ist es zu spät. Viel wichtiger für uns sind die ebenfalls in Günters Koffer befindlichen Medikamente, die gerade noch rechtzeitig eintreffen und für die Nachsorge der operierten Augen von hoher Bedeutung sind. Es ist gewissermaßen eine Just-in-time-Lieferung.

Linsen und Medikamente im nachgelieferten Koffer von Günter Thoren

Am Freitagabend reisen bis auf Dr. Cheuteu, meinen Bruder Günter und mich alle anderen Teammitglieder zurück nach Maroua, um von dort am nächsten Morgen den Heimflug anzutreten. Am Abend im Hotel gehe ich dann, nachdem mein Koffer ja nicht angekommen ist, ein inzwischen doch ziemlich drängendes Problem an. Seit Tagen kann ich ja meine Kleidung nicht mehr wechseln, ganz einfach, weil es keinen Ersatz gibt. Jetzt besorge ich mir einen Eimer, setze auf dem Zimmer mit kaltem Wasser eine Seifenlauge an, ziehe mich komplett aus und wasche meine gesamte Kleidung durch – so gut es eben geht. Bei der sehr trockenen Luft in Mokolo ist alles in kürzester Zeit wieder trocken, und ich kann am nächsten Morgen mit frisch gewaschener Kleidung glänzen. Mein Outfit ist jetzt quasi geradezu blütenrein und aprilfrisch.

Waschtag im Bad meines Hotelzimmers

Günter und ich sind dann am Samstagmorgen Zeuge bei der Verteilung der Medikamente an die operierten Patienten. Von jedem wird ein Beitrag von 5.000 Francs CFA verlangt. Das entspricht etwa 7,50 Euro. Die zum Selbstkostenpreis fehlenden 10.000 Francs CFA steuert die Augenhilfe bei. Die Operationen selbst sind umsonst. Bis auf zwei Patienten können alle die geforderten 5.000 Francs CFA aufbringen. Diese beiden bekommen ihre Medikamente natürlich trotzdem. Wichtig ist aber, dass zunächst einmal eine konkrete Gegenleistung für die erbrachte Behandlung gefordert wird. Das erhöht zunächst einmal das Selbstwertgefühl der Patienten. Weiterhin gilt auch in Afrika: Was nichts kostet, ist auch nichts.

Ein Patient erhält seine Nachsorge-Medikamente. Seinen Fetisch hält er immer fest in der Hand.

Auf einem Stuhl stehend erklärt Dr. Cheuteu den Patienten und ihren Angehörigen den genauen Gebrauch der verschiedenen Medikamente. Dabei wird jeder Satz in die lokalen Sprachen übersetzt. Denn längst nicht alle Patienten sind – wie bereits angesprochen – des Französischen mächtig.

Und zum Abschluss moderiert Dr. Cheuteu dann noch ein schönes „Werbevideo“ mit einem der operierten Patienten. Dieser muss der Reihe nach die an der Kampagne Beteiligten hochleben lassen. Der ganze Vorgang ist ein echtes Highlight, an dem alle Beteiligten großen Spaß haben.

Dr. Raoul Cheuteu gibt letzte Anweisungen zum Gebrauch der Medikamente.

„Werbevideo“ von Dr. Raoul Cheuteu mit operiertem Patienten, der wieder sehen kann

Trotz der angesprochenen Schwierigkeiten ist Mokolo insgesamt ein großer Erfolg. 576 Untersuchungen, so viele wie nie zuvor bei einer Kampagne, 46 OPs und 36 maßgeschneiderte Brillen schlagen zu Buche. Ich denke, dieses Ergebnis kann sich sehen lassen.

Am Nachmittag fahren Dr. Cheuteu, Günter und ich in knapp zwei Stunden mit dem Auto zurück nach Maroua, wo wir im Hotel Mizao einchecken. Und dort steht zu meiner großen Freude an der Rezeption mein lange vermisster Koffer. Das bedeutet, dass ich bei der anstehenden Grundsteinlegung zu unserer neuen Augenklinik in Mora nicht in Jeans auftreten muss, sondern der allgemeinen Erwartungshaltung entsprechend meinen dunklen Anzug tragen kann. Zunächst tausche ich jedoch mein ja eigentlich blütenreines und aprilfrisches Outfit gegen neue Kleidung aus dem Koffer ein.

Der Bericht zur Grundsteinlegung in Mora folgt in Kürze auf dieser Website.