Vierte Augenhilfe-OP-Kampagne 2020 in Nkoabang

Entgegen der ursprünglichen Ankündigung findet die vierte und letzte Augenhilfe-Untersuchungs- und Operationskampagne des Jahres 2020 nicht wie eigentlich geplant in Akonolinga, sondern in Nkoabang statt. Dieser Ort liegt ca. 250 km nordöstlich der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé, ungefähr auf halbem Wege nach Bertoua, der Hauptstadt der Provinz Est.

Ungefähre Lage des Kampagnenortes Nkoabang in Kamerun

Der eigentliche Ort des Geschehens in Nkoabang ist das katholische Krankenhaus „Sainte Marie des Anges“, übersetzt Heilige Maria der Engel. Und dieses Krankenhaus ist ein Kleinod, bezogen auf alle bisherigen Kampagnenorte der Augenhilfe in Kamerun nur vergleichbar mit dem L´Hôpital Galagala in Ngaoundal, wo wir zuletzt im Frühjahr 2019 operiert haben. Alles ist absolut sauber, es liegt keinerlei Unrat herum wie praktisch überall sonst, es gibt gepflegte Anlagen mit Blumenrabatten und Sträuchern. Und die Operationsräume könnten beispielsweise problemlos auch in Europa sein. Die Bedingungen für die anstehende Arbeit sind somit dieses Mal ganz hervorragend.

Der Kampagnenort in Nkoabang
Die Außenanlage des Krankenhauses Sainte Marie des Anges in Nkoabang

Schon am Tag der Ankunft des Teams, am 16.12.2020, beginnen die augenärztlichen Untersuchungen. Viele Patienten und ihre Begleitpersonen haben sich eingefunden und warten darauf, dass sie an die Reihe kommen. Der Medizinisch-Technische Assistent Anthony führt Voruntersuchungen durch und reicht diejenigen Patienten, die eventuell für eine Operation in Frage kommen, zur genaueren Bestätigung der Diagnose an Dr. Raoul Cheuteu weiter.

Patienten warten auf ihre Untersuchung …
… und später dann auf ihre Operation.
Ein junger Patient wird mit der Spaltlampe untersucht.
Auch die Schwestern des Krankenhauses …
… lassen ihre Augen von Dr. Cheuteu untersuchen.
Dr. Cheuteu untersucht eine Patientin mit dem Retinographen.
Auf die Augenuntersuchung …
… folgt in diesem Fall die Ermittlung der Sehfähigkeit …
… und die Anpassung einer maßgeschneiderten Brille.

Zum ersten Mal bei einer OP-Kampagne mit dabei ist die junge Audrey Tikombouo, der wir seit Herbst 2019 eine mehrjährige Ausbildung ermöglichen. Die dafür anfallenden Kosten werden durch ein Stipendium der Else Kröner-Fresenius-Stiftung abgedeckt. Nach ihrer Abschlussprüfung Mitte 2023 wird sie gemäß Absprache das Team in der Augenklinik in Ambam verstärken. Bei der laufenden Kampagne springt sie überall ein, wo Not am Mann ist, zur Unterstützung des Augenoptiker-Teams bei der Feststellung der Sehfähigkeit, bei der Anwendung von Augentropfen zur lokalen Betäubung vor der OP oder auch im Operationssaal. Alle Beteiligten sind mit ihr sehr zufrieden.

Audrey Tikombouo bei der Feststellung der Sehfähigkeit
Brillen-Sortiment
Die Augenoptiker David und Ulrich schleifen die benötigten Brillengläser passend.
Dr. Cheuteu mit sehbehinderten Patientinnen, die neue Brillen erhalten haben, Schwestern des Krankenhauses sowie Schülerinnen des katholischen Mädchengymnasiums

Wie allgemein üblich bei den Operationskampagnen der Augenhilfe Afrika wechseln sich unsere beiden Augenärzte Dr. Raoul Cheuteu und Prof. Dr. Giles Kagmeni am Operationstisch ab. Und wie immer bilden Graue-Star-Operationen auch in Nkoabang die überwiegende Mehrzahl der operativen Eingriffe. Über zwei Ausnahmen von dieser Regel soll hier etwas detaillierter berichtet werden.

Audrey Tikombouo führt eine frisch operierte Patientin aus dem OP-Saal.
Diese Patientin hat ihre OP gerade hinter sich und ist sichtbar erleichtert.

Der 12jährige Akini Dave Junior ist einer dieser beiden Fälle. Seine Geschichte beginnt mit einem eher ungewöhnlichen und fast kuriosen Unfall, nimmt dann auch im Weiteren einen wenig erfreulichen Verlauf und endet schließlich, als schon alles verloren scheint, bei der OP-Kampagne in Nkoabang doch noch mit einem Happy End.

Der junge Mann steht gerade als Messdiener bei einem Gottesdienst am Altar, als er dringend zur Toilette muss, was für ihn verständlicherweise ziemlich peinlich ist. In der Aufregung kommt er auf dem Weg zum stillen Örtchen ins Stolpern, fällt der Länge nach hin und schlägt mit dem Gesicht voll gegen einen Türrahmen. Seine Brille zerbricht, und an seinem linken Auge wird die Hornhaut schwer verletzt. Man bringt ihn ins Krankenhaus, und die Ärzte dort versuchen, seine Hornhaut operativ wieder zusammenzuflicken. Doch es ergeben sich nach der OP größere Komplikationen, und zusätzlich entwickelt der Junge in der Folgezeit am verletzten Auge auch noch einen Grauen Star. Die durch diese unglücklichen Umstände Anfang des Jahres 2020 erforderlich werdende erneute komplexe und auch komplizierte Operation kann dann wegen Corona und Geldmangel der Familie nicht durchgeführt werden.

Bei einem Gottesdienst Anfang Dezember erfährt die Mutter des Jungen dann von der bevorstehenden OP-Kampagne in Nkoabang. Sie ist überaus dankbar, dass Gott ihre inständigen Gebete erhört hat. Als sie dann bei der Anmeldung auch noch erfährt, dass die Operation ihres Sohnes kostenlos sein wird, bricht sie in Tränen aus.

Dr. Cheuteu, der den Jungen schließlich operiert, ist durch den Fall innerlich sehr bewegt und freut sich, dass er dem Jungen helfen kann. Die Operation verläuft erfolgreich, und der Junge kann am nächsten Tag nach Abnahme des Verbandes mit dem operierten Auge wieder sehen. Sowohl er selbst als auch seine Mutter sind unendlich glücklich. Für Dr. Cheuteu ist der Fall Akini Dave Junior der bewegendste der gesamten Kampagne.

Akini Dave Junior und sein krankes linkes Auge
Das zu operierende Auge wird vor der OP markiert.
Dr. Cheuteu während der Operation.
Die Operation ist erfolgreich überstanden.
Akini Dave Junior unmittelbar nach der Operation …
… und einen Tag später mit seiner Mutter vor der Entfernung des Verbandes
Dr. Cheuteu entfernt den Verband …
… und überprüft die Sehfähigkeit des operierten Auges.

Der zweite hier geschilderte Sonderfall ist völlig anders gelagert und hochgradig außergewöhnlich. Dr. Cheuteu hat das zu behandelnde Krankheitsbild erst genau zweimal in seinem gesamten Berufsleben gesehen. Es handelt sich um einen Mooren-Hornhaut-Ulkus, ein Hornhaut-Geschwür, das äußerst schmerzhaft ist und zur völligen Erblindung führen kann. Diese Erkrankung tritt äußerst selten auf und kommt vor allem in West-Afrika, aber auch in Europa und Nord-Amerika vor. Die Ur­sache ist un­klar, even­tu­ell handelt es sich um ei­ne Autoimmun­re­ak­ti­on.

Der Patient Aboubakar lebt in Ngaoundéré in Nordkamerun, fast 1.000 km nördlich vom Kampagnenort Nkoabang, und hat durch einen geradezu unglaublichen Zufall von der anstehenden Kampagne erfahren. Er ist völlig verzweifelt, hat entsetzliche Schmerzen im rechten Auge, nimmt den langen Anfahrtsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln und x-fachem Umsteigen auf sich und meldet sich schließlich beim Kampagnen-Team zur Untersuchung an. Nach seiner Operation, bei der eine Bindehautresektion durchgeführt wird, kann er zum ersten Mal seit drei Monaten wieder entspannt und schmerzfrei durchschlafen.

Dr. Cheuteu untersucht den Patienten Aboubakar, der am sehr seltenen Mooren-Hornhaut-Ulkus leidet.
Das kranke Auge erzeugt unerträgliche Schmerzen.
Aboubakar nach der erfolgreichen Operation

Insgesamt untersuchen und behandeln Dr. Raoul Cheuteu, Prof. Dr. Giles Kagmeni sowie das gesamte Team in Nkoabang 328 Patienten-Augen. Weiterhin nehmen unsere beiden Augenärzte 43 Operationen vor, davon allein 40 am Grauen Star, und unsere Augenoptiker fertigen insgesamt 35 maßgeschneiderte Brillen an und geben diese an sehbehinderte Patienten ab.

Das Team um Dr. Cheuteu kann somit die Erfolgsgeschichte von Augenhilfe Afrika um ein weiteres Kapitel fortschreiben. Wir sind uns dabei sehr bewusst, dass diese Erfolgsgeschichte in sehr hohem Maße auch das Verdienst unserer treuen Spender ist. Für deren finanzielle Zuwendungen und sonstige Hilfen sind wir unendlich dankbar. Denn es ist zwar zweifellos so, dass wir ohne Dr. Cheuteu und sein Team absolut nichts erreichen können, aber ohne unsere Spender eben ganz sicher auch nicht.

Wir sind zu 100% von der Unterstützung unserer Spender abhängig und vertrauen darauf, dass diese uns weiterhin die sehr wichtige Arbeit in Afrika ermöglichen. Dann können wir der bisherigen Erfolgsgeschichte der Augenhilfe im anstehenden Jahr 2021 ganz sicher weitere erfreuliche Kapitel hinzufügen.