Lang ersehnte Rückkehr nach Mora – nach 6 Jahren Wartezeit

Die erste Augenoperationskampagne des Jahres 2020 in Mora im äußersten Norden von Kamerun hat eine lange Vorgeschichte. Hier führten Dr. Raoul Cheuteu und Prof. Dr. Giles Kagmeni im Jahr 2013 die erste Untersuchungs- und Operationskampagne mit ihrer mobilen Augenklinik durch. Zu einer Zeit, als es die Augenhilfe Afrika noch gar nicht gab. Finanziert wurde die 2013er Kampagne damals mit lokal aufgebrachtem Geld.

Mora liegt im äußersten Norden Kameruns

Ein paar Monate nach der Gründung der Augenhilfe Afrika kam es dann im März 2014 in Mora zu einer weiteren OP-Kampagne, und zwar der allerersten überhaupt, die von der Augenhilfe Afrika finanziert wurde. Der Patienten-Andrang war wie auch schon im Vorjahr dermaßen groß, dass nicht alle Kranken behandelt werden konnten. Sie wurden notgedrungen auf das Folgejahr vertröstet. Doch dann machten die Aktivitäten der Terror-Organisation Boko Haram die gesamte Region dermaßen unsicher, dass unser Team es nicht mehr riskieren konnte, die Gegend erneut aufzusuchen. Und somit konnten wir viele Jahre lang das gegebene Versprechen, wiederzukommen, nicht einlösen. Jedes Jahr diskutierten wir das Problem Mora erneut, und immer wieder entschieden wir uns dagegen.

Im Januar 2020 nimmt das Team um unsere beiden Augenärzte das traurigerweise immer noch bestehende, wenn auch inzwischen gesunkene Risiko in Kauf, erneut nach Mora zu reisen und dort die schon so lange wartenden Patienten zu behandeln und zu operieren. Der Zeitraum der Kampagne, der 9. bis 14.1., wurde vor Ort rechtzeitig bekannt gemacht. Und so strömen die Blinden und Sehbehinderten in Scharen herbei, oft geführt von unterstützenden Familienmitgliedern.

Ein blinder Mann wird an einem Stock geführt.
Als Blinder ist man völlig von anderen abhängig.
Patienten bei der Registrierung

Der für alle Beteiligten bewegendste Fall ist der unseres alten Bekannten Mohammed. Bereits bei der Kampagne 2013 lernte das Team ihn kennen. Da war der kleine Kerl ganze vier Jahre alt – und blind. Grauer Star auf beiden Augen. Die Ärzte getrauten sich damals nicht, ein so kleines Kind ohne Vollnarkose zu operieren. Und ein Anästhesist war nicht verfügbar. Im Folgejahr 2014 war Mohammed dann immerhin schon 5 Jahre alt und hatte ein ganzes Jahr lang gequengelt, dass er auch gerne sehen wollte wie die anderen Operierten. Er versprach, ganz brav zu sein und bei der OP ganz still zu halten. Die Ärzte akzeptierten das Risiko, und Mohammed wurde erfolgreich am linken Auge operiert. Beide Augen gleichzeitig zu operieren erschien Dr. Cheuteu und Prof. Kagmeni damals nicht angemessen. Mohammed konnte jetzt immerhin sehen, wenn auch nur auf einem Auge, er konnte zur Schule gehen, er konnte sogar Fußball spielen. Aber sein rechtes Auge blieb blind, weil unser Team wie beschrieben das Versprechen wiederzukommen sehr lange nicht einlösen konnte.

Doch jetzt ist es so weit. Das endlose Warten hat ein Ende. Mohammeds zweites Auge wird operiert. Und endlich ist dieser bewegende Fall glücklich und erfolgreich abgeschlossen. Alle freuen sich.

Ein Wiedersehen: Dr. Cheuteu mit dem inzwischen 11 Jahre alten Mohammed
Mohammed vor der Operation
Mohammed mit Dr. Cheuteu. Das kranke rechte Auge ist bereits zur Operation vorbereitet.
Die von Prof. Kagmeni (Mitte) ausgeführte Operation ist erfolgreich überstanden.
Mohammed mit seinem großen Bruder Ibrahim
Mohammed (links) mit Bruder Ibrahim und Mutter Haoua Youssuffa

Natürlich gibt es neben dem besonders bewegenden Fall Mohammed noch viele weitere Patienten mit ungewöhnlichen und berührenden Geschichten. Insgesamt werden in Mora 480 Augenuntersuchungen durchgeführt und 63 Augen operiert, bis auf eine einzige Ausnahme alle am Grauen Star. Außerdem können 26 maßgeschneiderte Brillen an bedürftige Sehbehinderte abgegeben werden.

Dr. Cheuteu bei einer Operation

Die schwer im Gesicht verbrannte Tsoume kann beispielsweise nach vier langen Jahren Blindheit endlich wieder sehen. Aufgrund des vielfach offenen Feuers kommt es in Afrika immer wieder zu fürchterlichen Brandverletzungen. Blinde sind hierbei natürlich besonders gefährdet.

Die von Verbrennungen schwer entstellte und blinde Tsoume vor ihrer Operation
Die Operation ist überstanden. Jetzt wartet Tsoume auf die Abnahme des Verbandes am nächsten Morgen.
Tsoume ist glücklich. Sie kann wieder sehen.

Ein anderer Fall ist der von Ramada Bello. Sie stammt aus der Region Maiduguri in Nigeria, einer Hochburg von Boko Haram. Sie hatte immer gehofft, dass ihr einziger Sohn einmal zur Schule gehen könnte und eine angesehene Person werden würde. Doch vor 5 Jahren ist dieser Traum jäh zerbrochen. Eines Nachts kamen Mitglieder von Boko Haram in ihr Dorf, zündeten die Häuser an, töteten die Bewohner und stahlen ihr Vieh, Ziegen und Ochsen. Ramada Bello gelang es, gemeinsam mit ihrem Sohn zu entkommen. Seither ist sie auf der Flucht. Ihre zunehmende Sehschwäche führte zur Blindheit und machte die Situation für sie nicht einfacher. Jetzt nach der erfolgreichen OP fasst sie neuen Mut.

Ramada Bello ist vor Boko Haram aus Nigeria geflohen und hofft nach ihrer Operation auf einen Neuanfang.

Moctar ist bereits stolze 65 Jahre alt und seit 8 Jahren komplett blind. Die Hoffnung auf ein besseres Leben hat er bereits völlig aufgegeben. Doch nach der Operation ist er total begeistert. Immer wieder ruft er: „Ich kann sehen, ich kann sehen!“

Moctar ist nach der OP begeistert: „Ich kann sehen, ich kann sehen!“
Patienten nach der Operation
Auch das Thema Fußball ist in Mora präsent. Der Eingeweihte erkennt, für wen das Herz schlägt.
Dr. Cheuteu nach der Ausgabe der Nachsorge-Medikamente inmitten glücklicher Patienten

Nicht unerwähnt bleiben soll die dramatische Rückreise des Teams nach Yaoundé. Die Anreise war noch sehr ereignislos mit dem Flugzeug erfolgt, mit einem Linienflug von Yaoundé über Douala nach Maroua. Von dort ging es dann mit dem Auto weiter nach Mora. Aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse macht alles andere als fliegen bei der Riesenentfernung zwischen Yaoundé und Mora keinen Sinn.

Die Rückreise hat es dann aber in sich. Prof. Kagmeni muss aufgrund von Terminen bereits am Samstag in Mora aufbrechen. Am Flughafen in Maroua stellt er fest, dass sein Flug abgesagt ist. Das Flugzeug ist zwar da, aber nicht flugfähig. Es fehlt ein Ersatzteil. Auch am Sonntag, Montag und Dienstag findet kein Flug statt. Prof. Kagmeni entschließt sich am Dienstagmorgen, ein Ticket für den Überlandbus zu kaufen. Und ist dann mittwochsnachmittags endlich wieder zu Hause, nach einer schier endlosen Fahrt, mehr als vier Tage nach seiner Abreise in Mora.

Dem restlichen Team geht es nur unwesentlich besser. Alle haben den Dienstagsflug gebucht, der aber wie erwähnt nicht stattfindet. Dr. Cheuteu nutzt seine hervorragenden Beziehungen und schafft es, dass sein komplettes Team inklusive Gepäck auf einem Militärflug von Maroua nach Garoua mitgenommen wird. Ein echtes Abenteuer, wie Dr. Cheuteu später berichtet. Von Garoua aus gibt es zum Glück einen Linienflug nach Douala. Dort angekommen organisiert Dr. Cheuteu zwei Mietwagen, mit denen es dann weiter nach Yaoundé geht. Das Team ist dann sogar noch ein paar Stunden früher dort als der arme Prof. Kagmeni.