Alle paar Wochen fahren Prof. Dr. Giles Kagmeni und Dr. Raoul Cheuteu, unsere beiden Augenärzte in Kamerun, mit dem PKW die anstrengenden ca. 270 km von Yaoundé nach Ambam, um dort die anstehenden Augenoperationen durchzuführen. Diese sind jeweils organisatorisch von Klinikchef MTA Anthony Akpeny und dessen Team im Detail vorbereitet, so dass die Ärzte sich komplett auf die OPs sowie besonders schwierige Untersuchungen und Beratungen konzentrieren können. Am 27. Februar 2025 ist es wieder einmal so weit. Die beiden Augenärzte machen sich auf den weiten Weg.


Das Team um Anthony Akpeny ist seit einiger Zeit vorübergehend verstärkt durch den Augenoptiker Habaga Elisée und den Krankenpfleger Faiçal. Die Beiden haben vor wenigen Monaten ihre jeweilige Ausbildung abgeschlossen und bereiten sich in Ambam auf ihre zukünftigen Aufgaben in unserer dann schon dritten neugebauten Augenklinik in Mora in Nord-Kamerun vor, deren Eröffnung kurz bevorsteht (siehe u.a. auch den Beitrag „Fünf junge Kameruner bekommen qualifizierte Ausbildung“ vom November 2024 auf dieser Website).

Die Beiden freuen sich sehr darauf, in ihre Heimatregion Mora in Nord-Kamerun zurückzukehren und dort in unserer nagelneuen Augenklinik ihr gelerntes Wissen anzuwenden, den vielen sehbehinderten und blinden Patienten zu helfen und letztlich natürlich auch ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Aktuell sind sie in Ambam extrem weit von ihrer Heimat entfernt. Laut Google Maps liegen 1.570 Straßenkilometer zwischen Mora und Ambam. Und beide Orte liegen ja in Kamerun, Mora im Norden und Ambam im Süden (s. Karte). Dies verdeutlicht die geradezu unfassbar großen Entfernungen innerhalb des Landes. Mit dem Auto wäre man laut Google Maps volle 27 Stunden unterwegs. Und es wäre keine gemütliche Fahrt. Denn die Strecke ist vor allem im Norden extrem anspruchsvoll und geradezu materialvernichtend. Sie wird daher von den Einheimischen in der Regel nur im äußersten Bedarfsfall in Angriff genommen. Und wenn überhaupt, dann notgedrungen mit klapprigen Überlandbussen, verbunden mit x-fachem Umsteigen.

Am frühen Morgen des 28. Februar ist unsere Klinik in Ambam bereits gut gefüllt mit hilfesuchenden Patienten und deren Angehörigen. Für die beiden Augenärzte stehen insgesamt 27 Operationen an. Eine davon ist von äußerst ungewöhnlicher Art. Davon wird später die Rede sein.
Die zu operierenden Patienten werden in blaue Gewänder gehüllt und dann der Reihe nach anästhesiert, die zu operierenden Augen also örtlich betäubt. Anschließend geht es in den OP-Saal.

Anästhesie: Das zu operierende Auge wird örtlich betäubt.

Fast alle, nämlich 25 der anstehenden 27 OPs, betreffen den Grauen Star bzw. Katarakt. Dies sind quasi die Standard-Fälle. Bekanntlich überwiegt das Krankheitsbild Grauer Star bei unseren Operationen immer, egal, ob wir bei OP-Kampagnen oder in einer unserer Augenkliniken aktiv sind. Die OP Nummer 26 betrifft eine Iris-Clip-Linsenimplantation, bei der eine künstliche Linse an der Iris, der farbigen Struktur im Auge, befestigt wird.
Hervorheben möchte ich jedoch die dann noch verbleibende Operation Nummer 27. Dabei geht es um einen jungen Mann, der sich bei der Arbeit im Busch einen großen Dorn ins linke Auge gerammt hat. Diesen Dorn gilt es zu entfernen.


Verlauf der OP zur Entfernung des Dorns

Die Operation gelingt. Der gut einen Zentimeter lange Dorn wird erfolgreich entfernt. Anschließend näht der Operateur die Hornhautwunde zu und wäscht die Vorkammer sorgfältig aus. Der betroffene Patient ist nach überstandener OP überglücklich.





Auf eine Besonderheit der Gegebenheiten im Gebiet rund um Ambam möchte ich noch kurz eingehen. Ambam liegt nur etwa 20 km von der Grenze zu Gabun und auch zu Äquatorial-Guinea entfernt. Der Einflussbereich unserer Augenklinik reicht folglich bis weit in diese beiden Nachbarländer hinein. Dieser Umstand war auch von Anfang an mit eingeplant. Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Grenzschließungen änderte sich die Situation für unsere Klinik in Ambam jedoch fundamental. Patienten aus Gabun und Äquatorial-Guinea konnten die Klinik nicht mehr ohne Weiteres aufsuchen, zumindest nicht ohne kostspielige Bestechung des Grenzpersonals. Dadurch brach für uns ein großer Teil des Geschäfts der Klinik in Ambam weg. Die Einnahmeverluste durch die fehlenden Patienten aus Gabun und Äquatorial-Guinea waren und sind auch heute noch außerordentlich schmerzlich.
Hinzu kommt ein weiterer Umstand, der die Schwierigkeiten bei unserer Arbeit in Kamerun besonders verdeutlicht. Zwischen Grenze und Ambam haben korrupte Polizeibeamte schon seit Längerem Straßensperren eingerichtet, um die Menschen abzukassieren, die ins Landesinnere, z.B. nach Ambam, weiterreisen wollen. Dies betrifft natürlich auch hilfesuchende Augenpatienten aus Gabun und Äquatorial-Guinea, die zu unserer Klinik in Ambam wollen und jetzt durch den geforderten Wegezoll davon abgehalten werden.

Unser Team rund um Anthony Akpeny hat darauf mit einem geschickten Schachzug reagiert. Ein von Dr. Raoul Cheuteu „Kiosk“ genannter Anlaufpunkt in dem kamerunischen Grenzort Kyé-Ossi wird freitags und samstags vom Team aufgesucht, um dort, in unmittelbarer Grenznähe, Patienten zu behandeln. Natürlich können hier keine Operationen durchgeführt werden, aber für kleinere Beschwerden, die Behandlung von einfachen Augenproblemen oder eine neue Brille, reicht es allemal. Interessanterweise haben etwa zwei Drittel der Besucher des „Kioskes“ die kamerunische Staatsbürgerschaft, sind also Einheimische, denen der Weg nach Ambam offenbar bereits zu weit bzw. zu kostspielig ist. Nur ein Drittel kommt tatsächlich aus den beiden Nachbarländern. Wie auch immer: Das Ganze funktioniert, den Patienten wird geholfen, und wir können unsere Einnahmen steigern.
Dem Vernehmen nach ist die Grenze nach Gabun nach langen Jahren der Sperrung seit dem 24. Februar 2025, also seit wenigen Tagen, wieder geöffnet, die nach Äquatorial-Guinea jedoch weiterhin geschlossen. Wir sind sehr gespannt, ob sich dadurch der Patientenstrom zu unserer Augenklinik aus Richtung Gabun wieder entsprechend erhöht. Wir hoffen das sehr. Im eigenen Interesse und dem unserer Patienten.