OP-Kampagne in Ngaoundéré

Eigentlich sollte unsere erste OP-Kampagne des Jahres 2025 bereits im Februar in Meiganga stattfinden. Aufgrund besonderer Umstände musste sie dann aber auf den Zeitraum 18. bis 25. April und in das 170 km weiter nordwestlich gelegene Ngaoundéré verlegt werden.

Ngaoundéré liegt 860 km nördlich von Yaoundé, ist die Hauptstadt der Region Adamaoua und der Geburtsort unseres Augenarztes und Freundes Dr. Raoul Cheuteu. Letzteres hat aber nichts mit der Auswahl des Kampagnenortes zu tun. Dieser Umstand hängt eher damit zusammen, dass Ngaoundéré über ein Krankenhaus und einen Bahnanschluss verfügt. Die Stadt ist Endstation der Camrail-Linie Douala – Yaoundé – Ngaoundéré, deren Anfänge sich bis in die deutsche Kolonialzeit zurückverfolgen lassen. Die allerdings stark sanierungsbedürftige Meterspurstrecke bietet u.a. dem Binnenstaat Tschad über den kamerunischen Hafen Douala den dringend benötigten Zugang zu den Weltmeeren.

Ngaoundéré ist Hauptstadt der Region Adamoua.

Die Kampagne in Ngaoundéré wird wie schon die beiden Kampagnen in Sa´a und Nachtigal vor zwei Jahren durch den Verein WMF Barmherzigkeit und dessen österreichische Schwesterorganisation Barmherzigkeit International finanziert. Diese beiden NGOs setzen einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Bekämpfung der Onchozerkose oder Flussblindheit, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eine vernachlässigte Tropenkrankheit eingestuft wird.

Derart bezeichnete Krankheiten betreffen hauptsächlich arme Bevölkerungsgruppen in tropischen und subtropischen Regionen und erhalten im Verhältnis zu ihrer Krankheitslast wenig Aufmerksamkeit und Forschungsförderung. Onchozerkose ist eine parasitäre Erkrankung, die durch den Fadenwurm Onchocerca volvulus verursacht und durch die weibliche Kriebelmücke übertragen wird. Sie kann zu schweren Hauterkrankungen und bis zur Erblindung führen. Im tropischen Afrika ist die Flussblindheit weit verbreitet, vor allem, wie der Name schon andeutet, in der Nähe von Flüssen, in denen die Kriebelmücken brüten.

Dr. Raoul Cheuteu vor der Abfahrt im Bahnhof von Yaoundé
Prof. Dr. Giles Kagmeni auf seinem Sitzplatz in der 1. Klasse
Rechts Prof. Dr. Giles Kagmeni. 19 Stunden im Sitzen liegen vor unseren beiden Augenärzten, denn die Liegewagen sind ausgebucht.

Die wenigen Plätze im Liegewagen sind seit Wochen ausgebucht, und unsere beiden Augenärzte müssen mit Sitzplätzen in der 1. Klasse vorlieb nehmen. Die Fenster lassen sich nicht öffnen, eine Klimaanlage gibt es nicht, und es herrscht bei stickiger Luft eine geradezu unerträgliche Temperatur von knapp 40 Grad. Die Fahrt gestaltet sich also alles andere als angenehm.

Wegen des maroden Zustands der Bahngleise und des rollenden Materials kommt es außerdem immer wieder zu Entgleisungen und schweren Unfällen. Zum Glück geht diesbezüglich dieses Mal alles gut.

Nächtlicher Zwischenhalt auf der Strecke
Blick aus dem Abteilfenster
Entgleister Zug an der Strecke

Nach ihnen endlos vorkommender 19stündiger Fahrt, von 19.30 Uhr am Ostersonntag bis 14.30 Uhr am Ostermontag, werden unsere beiden Augenärzte auf dem Bahnhof von Ngaoundéré von Dr. Nzokou in Empfang genommen. Dr. Nzokou arbeitet am ausgewählten Kampagnenort, der Norwegischen Lutherischen Augenklinik. Er ist unseren beiden Ärzten gut bekannt, da er zu Beginn seiner Facharztausbildung einmal ein paar Monate an unserer damals noch gemieteten Augenklinik in Yaoundé gearbeitet hat. Mittlerweile steht er kurz vor Abschluss seiner Facharztausbildung und unterstützt bei unserer Kampagne.

Dr. Nzokou (r.) nimmt Dr. Cheuteu (l.) und Prof. Dr. Kagmeni am Bahnhof von Ngaoundéré in Empfang.
Die Norwegische Lutherische Augenklinik von Ngaoundéré
Prof. Dr. Giles Kagmeni untersucht eine Patientin mit der Spaltlampe.

Trotz der äußerst strapaziösen Anfahrt machen sich unsere beiden Augenärzte sofort an die Arbeit. Noch am Tag der Anreise werden die ersten 15 Operationen durchgeführt. Dies ist nur dadurch ermöglicht worden, dass ein Vorauskommando von drei jungen Assistenzärzten bereits Tage vorher sehr viele Patienten untersucht und für die OPs ausgewählt hat. Dr. Cheuteu und Prof. Kagmeni müssen somit lediglich kurz mit Hilfe einer Spaltlampe überprüfen, ob ihnen dabei keine Fehler unterlaufen sind.

Die Stellung von Prof. Kagmeni als Leiter der Augenabteilung an der Universitätsklinik in Yaoundé erweist sich wieder einmal mehr als wichtiger Vorteil. Denn er ist dort unmittelbar in die Facharztausbildung aller angehenden Augenärzte involviert und hat die drei kraft seines Amtes kurzerhand nach Ngaoundéré vorausgeschickt.

Der Hauptgrund für die Suche der angetretenen Patienten nach Hilfe ist wenig überraschend deren verminderte Sehschärfe. Katarakte, Augentraumata und Glaukome sind dafür die Hauptursachen, gefolgt von Brechungsfehlern, allergischer Konjunktivitis und Netzhauterkrankungen. 345 Patienten werden insgesamt untersucht und von diesen 50 für eine Operation ausgewählt. In allen Fällen handelt es sich um Grauen Star oder Katarakt. Die meisten Patienten haben einseitigen, einige auch beidseitigen Katarakt.

Wartende Patienten
Patientin mit einseitigem Grauen Star
Bei diesem Patienten …
… und bei dieser Patientin ist das zu operierende Auge bereits mit einem Pflaster markiert.
Jeder Patient verfügt über ein Carnet de consultation médicale, in dem seine Krankengeschichte dokumentiert ist.
Ein OP-Register hält die Daten der Patienten fest, neben Geschlecht und Alter auch die Ethnie.
Untersuchungsraum
Unterstützende Mitarbeiter des Krankenhauses in Ngaoundéré strahlen in die Kamera.
Feierabend. Von links Dr. Nzokou, die drei Assistenzärzte, Prof. Dr. Kagmeni und Dr. Cheuteu

Wie erwähnt werden insgesamt 50 Augen operiert, und die Auswahl geschieht so, dass bei den beidseitigen Fällen immer lediglich ein Auge operiert wird, damit das Sehvermögen zumindest bei einem der betroffenen Augen wiederhergestellt wird und der Patient wieder sehen kann.

Diese Patienten warten auf ihre OP. Die zu operierenden Augen sind mit Pflastern markiert.
Prof. Dr. Giles Kagmeni (r.) im OP-Saal, …
… hier bei einer Operation
Patienten kurz nach ihrer Operation
Die OP ist überstanden, …
… und freudige Erwartung macht sich breit.
Dr. Raoul Cheuteu mit frisch operierter Patientin
Juliette Takeu direkt nach ihrer OP …
… und am nächsten Tag. Ihr Sehvermögen ist wiederhergestellt. Sie ist glücklich.

Der Graue Star tritt zu 90% bei Menschen über 60 Jahren auf, aber zu einem sehr geringen Prozentsatz findet man ihn auch bei Jugendlichen und Neugeborenen. Bei jungen Menschen treten in der Regel vor allem einseitige Katarakte auf.

Junger Patient mit einseitigem Katarakt, …
… unmittelbar nach seiner OP …
… und einen Tag später nach Abnahme des Augenverbandes. Die Welt ist für ihn jetzt eine andere.

 

Eine weitere Patientin, die wieder mit beiden Augen sehen kann

Mit einer Ausnahme können alle getrübten Linsen durch eine künstliche ersetzt werden. In einem Fall geht das allerdings nicht. Das Auge bleibt „aphak“, wie der Fachausdruck heißt, also ohne Linse. Aufgrund einer Luxation, einer Verschiebung der getrübten Linse im Auge, muss der operierende Prof. Kagmeni während der Operation die luxierte Linse zusammen mit der hinteren Kapsel vollständig entfernen. Eine künstliche Linse kann frühestens 6 Monate nach dieser Operation eingesetzt werden.

Die Operation eines Auges mit luxierter Linse ist sehr kompliziert und erfordert sowohl eine komplexe Ausbildung als auch eine große Erfahrung des Chirurgen. Es ist im hier angesprochenen Fall ein entscheidender Vorteil, dass Prof. Kagmeni diese Voraussetzungen mitbringt.

Wie schon angedeutet ist der Fokus der Kampagne in Ngaoundéré unter anderem auch auf die Bekämpfung der Flussblindheit oder Ochozerkose ausgerichtet. Insgesamt 160 Patienten werden dem Hauttest auf Onchozerkose unterzogen und 93 von diesen positiv getestet. Die unmittelbar anschließend durchgeführte Behandlung besteht darin, eine jährliche Dosis Ivermectin zu verabreichen. Diese Behandlung muss jährlich wiederholt werden, bis die Symptome verschwinden. Die Patienten werden intensiv über die Zusammenhänge und die notwendigerweise jährlich wiederkehrende Behandlung mit Ivermectin aufgeklärt.

In Kamerun sind alle zehn Regionen vom Auftreten der Flussblindheit betroffen. Die Prävalenz dieser Krankheit, also die Häufigkeit des Vorkommens, variiert allerdings von Region zu Region. Vor allen in den Zentral- und den Küstenregionen ist sie sehr hoch.

Die Rückfahrt unserer Ärzte nach Yaoundé nach erfolgreichem Abschluss der OP-Kampagne gestaltet sich dann deutlich angenehmer als die Hinfahrt. Denn dieses Mal bekommen sie Plätze im Liegewagen.

Prof. Dr. Giles Kagmeni auf der Rückfahrt im Liegewagen

Das kamerunische Fernsehen zeigte folgenden kurzen Bericht über unsere OP-Kampagne in ihrem Programm:

 

Einen Punkt möchte ich zum wiederholten Male betonen: Ohne unsere Spender hätten wir die beschriebenen Erfolge nicht erzielen können, wir hätten keine OP-Kampagnen durchführen und erst recht keine Augenkliniken bauen können. Auch mit noch so vielen unentgeltlich arbeitenden Augenärzten nicht. Dafür sind neben Expertise und Bereitschaft eben auch finanzielle Mittel nötig. Ohne Geld läuft nichts.

Und ein weiteres Mal möchte ich versichern, dass jeder gespendete Euro unmittelbar in Afrika für die Augenkranken dort eingesetzt wird. Sämtliche Verwaltungskosten decken wir nachhaltig über die Mitgliedsbeiträge ab.