Die Stuttgarter Zeitung veröffentlichte am 25.07.2024 einen Artikel, in dem berichtet wird, dass zwei Kirchheimer Kinderärzte nur noch Patienten behandeln würden, die entweder des Deutschen mächtig sind oder einen Dolmetscher dabeihaben. Dies wurde den beiden in der Folge im Rahmen eines ausgeprägten Medienrummels als Diskriminierung, Rassismus und sonstiges Negatives ausgelegt.
Daraufhin habe ich mich als Vorsitzender der Augenhilfe Afrika zu Wort gemeldet, einen Leserbrief an die Stuttgarter Zeitung geschrieben und darauf hingewiesen, dass bei unseren OP-Kampagnen in Kamerun regelmäßig Übersetzungshilfe gebraucht wird. Ansonsten ist eine nachhaltig erfolgreiche Behandlung unserer Patienten gar nicht möglich. Wie soll beispielsweise ein Patient nach seiner Augen-OP die Nachsorge-Medikamente richtig anwenden, wenn er gar nicht versteht, was der Arzt ihm erklärt?
Je weiter entfernt man von den großen Städten im Süden Kameruns unterwegs ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass die Menschen die Amtssprachen Französisch oder Englisch verstehen. Schon bei unserer allerersten OP-Kampagne in Mora 2014, bei der ich selbst dabei war, kam die junge Frau Mariama als Übersetzerin zum Einsatz. Ihre Muttersprache ist das in Mora gesprochene Mandara, aber sie spricht außer Französisch noch mehrere weitere Sprachen des kamerunischen Nordens und vor allem Fulfulde, die Sprache der großen, in Westafrika weit verbreiteten Volksgruppe der Fulbe, auch Fulani oder Peulh genannt.
Seit 2014 hat uns Mariama immer wieder bei unseren OP-Kampagnen in der Mitte und im Norden Kameruns unterstützt. Bei manchen Kampagnen ging ohne sie gar nichts. Ich denke hier zum Bespiel an die Kampagne in Ngaoundal 2019, als gefühlt jeder zweite Patient ausschließlich Fulfulde sprach und Mariama praktisch ununterbrochen als Übersetzerin im Einsatz war.
Manchmal ist jedoch auch Mariama mit ihrem Latein am Ende. 2014 in ihrer Heimatstadt Mora hatten wir einen solchen Fall. Ein von weither angereister Patient mit einem völlig vereiterten Auge sprach eine unbekannte Sprache und wurde zunächst von niemandem verstanden. Ein anwesender Kameramann des kamerunischen Fernsehens erwies sich schließlich als der Sprache mächtig und dolmetschte. Das Auge des Patienten wurde schließlich in meinem Beisein herausoperiert. Der Patient hätte nach Aussage unserer Ärzte ohne die OP die nächsten zwei Wochen nicht überlebt.
Wieso eigentlich sollte die Situation in einer Kinderarztpraxis in Deutschland mit einer Vielzahl ausländischer, nicht deutschsprechender Patienten anders sein als bei unseren Kampagnen in Kamerun? Auch hier brauchen Arzt und Patient selbstverständlich eine gemeinsame Sprache. Das ist so trivial, dass es eigentlich ohne weitere Diskussion allgemeiner Konsens sein sollte. Offenbar ist es das aber nicht.
Als Reaktion auf meinen Leserbrief und natürlich auch auf Rückmeldungen anderer Leser veröffentlichte die Stuttgarter Zeitung am 01.08.2024 einen weiteren Artikel zum Thema, in dem meine durch die Erfahrungen in Kamerun geprägte Sichtweise dargestellt wird. Es kommt allerdings auch eine „Leserin“ zu Wort, deren Kommentar aus meiner Sicht vor allem durch sicheres Auftreten bei völliger Ahnungslosigkeit geprägt ist. Durch die fehlende Namensnennung stellt sich die Redaktion schützend vor die Dame und erspart ihr eine peinliche öffentliche Bloßstellung.
Ich hoffe, dass der Artikel ein wenig zur Rehabilitierung der beiden Kinderärzte aus Kirchheim unter Teck beitragen wird.